Der Teufel trägt Prada
sie nur hereingeschneit, um mir auf die Finger zu sehen. Emily grinste hämisch. Das Telefon klingelte. Schon wieder Lily. Verdammt
– konnte sie mir nicht einfach eine Mail schicken? Ich nahm ab und presste den Hörer ans Ohr, ohne einen Ton zu sagen.
»Ich weiß schon, du kannst nicht reden, also hör einfach zu. Deine Eltern bürgen für uns, das ist schon mal super. Die Wohnung hat ein großes Schlafzimmer, und wenn wir im Wohnzimmer eine Wand einziehen, ist immer noch Platz genug für eine Doppelcouch und einen Sessel. Keine Badewanne, aber die Dusche sieht ganz okay aus. Spülmaschine: Fehlanzeige, was auch sonst, Klimaanlage ebenfalls, aber wir können diese Kästen an den Fenstern einbauen. Waschmaschine im Keller, Portier auf Teilzeit, ziemlich direkt an der Linie 6, und – halt dich fest – ein Balkon!«
Mein Japsen gab ihr einen willkommenen Vorwand, noch weiter aufzudrehen: »Echt jetzt! Der Wahnsinn, oder? Sieht zwar aus, als würde er jeden Moment runterkrachen, aber erst mal ist er ja noch dran! Mit Platz für zwei, und wir könnten draußen rauchen, und – ach, es ist einfach der Hammer!«
»Wie viel?«, krächzte ich und schwor mir innerlich, dass diese zwei Wörtlein die letzten sein würden, die mir über die Lippen kamen.
»Die ganze Pracht für 2280 pro Monat. Stell dir vor – für 1140 Dollar pro Nase kriegen wir einen BALKON! So was findest du einmal in 100 Jahren. Also was ist, soll ich?«
Ich hätte gerne geantwortet, aber mittlerweile bewegte sich Miranda erneut Schritt um Schritt auf ihr Büro zu und machte dabei vor versammeltem Publikum die Veranstaltungskoordinatorin zur Schnecke. Sie war eindeutig mies gelaunt, und mir persönlich reichte es für heute. Die Kleine, die sie gerade am Wickel hatte, ließ beschämt den Kopf hängen, ihre Wangen glühten, und ich betete bloß, dass sie nicht losheulen und damit alles nur noch schlimmer machen würde.
»Andy! Das ist doch wirklich lächerlich, verdammt noch mal. Sag einfach ja oder nein! Reicht es denn nicht, dass ich heute das Seminar schwänzen musste und du nicht von der
Arbeit wegkommst, um dir die Bude hier anzusehen – schaffst du’s nicht mal, ja oder nein zu sagen? Was soll ich -« Lily stand kurz davor auszurasten, was ich absolut verstehen konnte, und trotzdem blieb mir nichts übrig, als aufzulegen. Sie plärrte so laut in den Hörer, dass es im ganzen stillen Büro widerhallte, und Miranda stand bloß noch einen guten Meter entfernt. Am liebsten hätte ich die arme Veranstaltungskoordinatorin ins Klo abgeschleppt und mit ihr dort ein Heulkonzert veranstaltet. Vielleicht könnten wir ja auch mit vereinten Kräften Miranda in eine Toilettenkabine zwängen und den lose um ihren Hühnerhals drapierten Hermés-Schal ein bisschen enger knüpfen. Was wäre dabei wohl mein Part – zuziehen oder sie festhalten? Am Ende war es vielleicht noch wirkungsvoller, ihr das Scheißteil einfach in den Rachen zu stopfen und zuzusehen, wie sie nach Luft rang und -
»Aan-dreh-aa!« Die Stimme abgehackt und stählern. »Worum habe ich Sie vor geschlagenen fünf Minuten gebeten?« Scheiße! Der Eisbecher. Ich hatte den Eisbecher vergessen. »Gibt es einen besonderen Grund, weshalb Sie immer noch dasitzen, statt Ihrer Arbeit nachzugehen? Ist das Ihre Auffassung von Humor? Hat irgendetwas in meinem Auftreten oder meinen Worten nahe gelegt, ich ließe es am nötigen Ernst fehlen? Hat es das?« Fast fielen ihr die blauen Augen aus dem Kopf, und ihre Stimme war gefährlich nahe an der Übersteuerungsgrenze. Ich sperrte den Mund auf – doch statt meiner ergriff Emily das Wort.
»Miranda, es tut mir ganz schrecklich Leid. Ich habe Andrea gebeten, ans Telefon zu gehen, weil ich dachte, Caroline oder Cassidy könnten dran sein, und ich hing gerade an der anderen Leitung, wegen der Bluse von Prada, die Sie bestellen wollten. Andrea war schon auf dem Sprung. Tut mir Leid, es wird nicht wieder vorkommen.«
Es geschahen noch Zeichen und Wunder! Das Muster an Vollkommenheit hatte gesprochen – und für mich erbärmlichen Wurm Partei ergriffen.
Miranda wirkte für den Augenblick besänftigt. »Gut denn. Und jetzt besorgen Sie mir meinen Eisbecher, Andrea, aber zügig.« Damit begab sie sich in ihr Büro, griff zum Hörer und gurrte im nächsten Moment BTB die Ohren voll.
Ich ließ einen Blick zu Emily wandern, die tat, als sei sie schwer beschäftigt. Die E-Mail, die ich ihr hinüberballerte, bestand aus einem einzigen Wort: Warum?
Die Antwort
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