Der Teufel wird dich kuessen
nicht staubig wurden.
»Das ist ja wundervoll.« Ehrfürchtig nahm Laura ein kleines Buch zur Hand, in dessen rotem Samteinband mit goldenen Buchstaben der Titel geschrieben war. Zärtlich strich sie mit den Fingerspitzen darüber. The Holy Bible, stand da geschrieben. »Kann ich das Buch haben?« fragte sie und drehte sich um. Sie blickte geradewegs in das fröhliche Gesicht Jeremy Hollisters.
»Wenn Sie es möchten, junge Lady, selbstverständlich gern. Ich habe es von einer alten Dame bekommen, die den Nachlass ihres treulosen Gatten zum Spottpreis verkaufte. Ich schenke es Ihnen als kleines Dankeschön für Ihre Gastfreundschaft.«
»Sie machen mir damit eine große Freude, Mister Hollister.« Laura widmete ihre Aufmerksamkeit wieder den vielen Dingen zu, die der Trödler mit sich führte. Ein großes Bild, zum Teil verborgen hinter einer großen Kiste, erregte besonders ihre Aufmerksamkeit.
Die ganze Zeit schon, die sie im Wagen war, fühlte sie sich auf äußerst unangenehme Weise beobachtet. Jetzt, da sie das Brustbild eines ihr unbekannten Mannes entdeckt hatte, erfuhr sie auch den Grund für diese Gefühle. Magisch wurde sie von dem stechenden Blick seiner leicht zusammengekniffenen Augen angezogen. »Wer ist der Mann?« rief sie Mr. Hollister aufgeregt zu, der sich gerade draußen am Wagen zu schaffen machte.
»Wen meinen Sie?«
»Das Bild. Ich meine den Mann auf dem Bild.« Leises Grauen lief über ihren Rücken.
»Kann ich Ihnen auch nicht sagen, junge Lady«, antwortete Mr. Hollister von draußen. »Bewegen Sie sich besser nicht zu sehr. Ich muß eine Kleinigkeit an dem Rad reparieren.«
Laura hörte es knacken, und der ganze Planwagen schaukelte ziemlich heftig. Erschrocken hielt sie sich an dem massigen Bilderrahmen fest, um gleich darauf entsetzt zurückzuzucken. Der Rahmen hatte sich angefühlt wie glühendes Metall.
Sie blickte auf ihre Handfläche, konnte jedoch nichts entdecken. Was hatte sie denn erwartet? Eine Brandblase? Sie lächelte kaum merklich, denn mit einem Mal kam ihr der Gedanke als völlig absurd vor. Und doch war da etwas, das sich verändert hatte, in ihr oder in ihrer Umgebung, sie konnte es nicht sagen.
Wie angewurzelt stand Laura da und wagte kaum, das Bild anzusehen. Hatte sie sich den Schmerz vielleicht nur eingebildet? Sie glaubte es eigentlich nicht. Dennoch hatte sie keine andere Erklärung. Sie versuchte, ihre Aufmerksamkeit den anderen Sachen zuzuwenden, die noch zahlreich vorhanden waren. Immer wieder jedoch fühlte sie sich von den seltsamen Augen des Mannes auf dem Bild angezogen.
Nach einer Weile gab sie ihren Widerstand auf und betrachtete den Mann genauer. Er war betont altmodisch gekleidet mit einer dunklen Kappe auf dem wirren braunen Haar. Der Schein der Laterne warf gespenstische Schatten ins Innere des Wagens, so dass es aussah, als würde sich die Mimik des Mannes auf dem Bild ständig verändern.
Erst lächelte er freundlich, dann verzog sich sein Mund zu einem hämischen Grinsen. Nur seine Augen blieben unverändert. Sein Blick war stechend und zog Laura in seinen Bann. Die Umgebung verlor an Wichtigkeit und verschwand schließlich. Es gab nur noch zwei Menschen, Laura und den Mann auf dem Bild.
Wie ein Fels stand er plötzlich in seiner ganzen Größe vor ihr mit einem langen schwarzen Umhang und einer seltsamen Mütze, die an die Lairds aus früheren Zeiten erinnerte. Langsam setzte er sich in Bewegung, kam auf sie zu. Seine Arme hoben sich, streckten sich ihr entgegen.
»Du bist mein«, flüsterte er, und in seinen eisgrauen Augen blitzte es auf. Er sah aus wie ein gefährliches Raubtier, bereit, jeden Moment zum Sprung anzusetzen, sein Opfer in tausend Stücke zu reißen.
Laura wich unwillkürlich zurück. Die Unwirklichkeit des Augenblicks verschwand in dem Moment, als sie sich bewegte. Der ganze Trödel war wieder da, und auch das Licht der alten Laterne, das durch die dünnen Stellen der Plane fiel.
Verwirrt fuhr sich Laura mit beiden Händen über das Gesicht. Was war nur gewesen mit ihr? Unsicher blickte sie erneut zu dem Bild. Es hatte sich nicht verändert. Unbeweglich starrte der fremde Mann vor sich hin und nahm sie gar nicht wahr. Jetzt war nichts Unfreundliches mehr an ihm, sondern nur noch etwas Trostloses, Düsteres. Einsam sah er aus und verbittert.
Langsam trat Laura einen Schritt näher. Sie streckte die Hand aus und fuhr mit den Fingern zart über die Wange des Unbekannten. Die Leinwand fühlte sich kühl und leblos
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