Der Tod kommt in schwarz-lila
hatte offenbar die Dachwohnung gemietet. Auf das Klingeln der Beamten hatte niemand geöffnet, auch bei den Nachbarn nicht. Nach zehn Uhr würde es eine Polizeistreife noch einmal versuchen.
Der Wagen des Mordopfers war noch in der Nacht bei Harlesiel auf einem Parkplatz nahe dem Fährhafen aufgefunden worden. Doch der Innenraum hatte keine Geheimnisse geborgen. Sein Zustand bestätigte nur, dass Gabler zu Lebzeiten ein ordentlicher Mensch gewesen war. Ansonsten befand sich nichts Auffälliges darin. Frau Melsung hatte ausgesagt, dass Rudolf Gabler am letzten Donnerstag um die Mittagszeit in Wangerooge angekommen war. Außer dem Koffer mit Kleidung hatte er nur noch seine aufwändige und teure Fotoausrüstung bei sich getragen.
»Heute haben die Ämter geschlossen.« Trevisan gähnte. »Ich glaube, wir können in den nächsten Stunden nichts ausrichten. Wir sollten uns ausruhen und heute Mittag wieder hier treffen, um unsere weitere Strategie festzulegen.«
Er war müde. Er war nun seit zweiundzwanzig Stunden auf den Beinen. Seinen Mitarbeitern ging es ähnlich. Zustimmendes Gemurmel wurde laut, dann erhoben sie sich und verließen das Bürogebäude in der Peterstraße.
Trevisan fiel ein, dass er ganz vergessen hatte, Paula anzurufen. Jetzt schlief seine Tochter bestimmt noch. – Und Angela wollte heute kommen. Sollte er ihr absagen?
Es war Sonntag und dicke Wolken hingen am Himmel.
4
Holger Björndahl arbeitete seit über sieben Jahren als Steuermann an Bord des Kühlcontainerschiffs Hansa Ekklund. Noch bei Dunkelheit hatten sie am Morgen in Bremen Ladung aufgenommen, ehe sie kurz nach sieben mit Kurs auf die Deutsche Bucht ausgelaufen waren. Über 2500 Seemeilen und ein stürmischer Atlantik lagen zwischen ihnen und ihrem Zielhafen. Selbst bei guten Bedingungen und voller Fahrt wären sie mindestens sieben Tage unterwegs.
Björndahl stand hinter dem Ruder und kontrollierte mit konzentriertem Blick die Instrumente. 285° Nordnordwest lag an. Das Schiff ging gleichmäßig in den Wellen, dennoch war die See aufgewühlt. Die Untiefen von Mellumplate lagen bereits hinter ihnen. Trotzdem war es Björndahl nicht ganz wohl in seiner Haut. Der Leuchtturm Roter Sand lag voraus und bald war es an der Zeit, den Kurs zu ändern.
Der leise Warnton des Radargerätes machte ihn unruhig. Dort draußen im Fahrwasser war etwas und es schien keine Notiz von ihnen zu nehmen. Angestrengt blickte er über den Horizont, doch er konnte nichts erkennen. Wenn das Ding in den nächsten paar Minuten keine Anstalten zur Kursänderung machte, dann blieb ihm keine andere Wahl, als den Kapitän zu rufen.
Der Funker saß hinter seinem Instrumentenpult und blickte ratlos auf die Armaturen. »Jetzt habe ich es auf allen Frequenzen versucht. Niemand meldet sich. Wie weit sind wir noch entfernt?«
Björndahl schaute auf den Radarschirm. »Etwa zwei Seemeilen bei unveränderter Position. Es scheint stillzustehen und hat keine Eigengeschwindigkeit.«
»Was treiben die da draußen?«, murmelte der Funker.
»Der Größe nach zu urteilen ist das ein Fischkutter, aber ich habe keine Ahnung, warum sie die Fahrrinne blockieren«, antwortete Björndahl.
Der Funker gab erneut die Kennung ihres Schiffes und den augenblicklichen Kurs durch. Doch aus dem Lautsprecher drang nur statisches Rauschen.
»Sei’s drum, ich hole den Alten«, entschied Björndahl und griff nach dem Bordtelefon.
*
Martin Trevisan hatte trotz großer Müdigkeit schlecht geschlafen. Draußen hingen dicke graue Wolken vor dem Fenster und die Regentropfen klatschten gegen das kalte Glas. Angela war mit Paula in die Stadt gefahren. Er hoffte, sie würde seiner Tochter die Bootstour ausreden. Er duschte heiß und kalt, um seinen Kreislauf in Schwung zu bringen. Dann fuhr er ins Büro. Er hatte Angela gesagt, dass er wohl sehr spät nach Hause kommen würde.
»Dann werde ich eben mit Paula ins Kino gehen«, hatte sie verständnisvoll geantwortet.
Das liebte er an ihr. Sie war vollkommen unkompliziert. Er hatte einen Mord aufzuklären und Angela verstand es einfach. Grit hätte ihm bestimmt eine Szene gemacht.
Als Trevisan das Besprechungszimmer betrat, saßen Monika Sander und Dietmar Petermann am langen Tisch und betrachteten die Tatortfotos. Die Polizeifotografen hatten schnell gearbeitet und die Bilder sofort nach ihrer Rückkehr entwickelt. Dietmar blickte nachdenklich drein und zupfte sich seine grellfarbene Krawatte zurecht. Sie passte wie immer nicht zu
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