Der Tod wirft lange Schatten
Dokumente, du Trottel. Ich sollte sie zusammen mit dem Geld übergeben.«
»Und haben Sie das nicht getan?«
»Sie sind zu Boden gefallen. Inmitten der Kühe.«
»Sie haben sie nicht übergeben? Warum haben Sie das nicht früher gesagt?« Laurenti zog sein Mobiltelefon aus der Tasche.
»Wer spricht schon mit den Lungen voller Wasser?«
»Ich dachte, Sie könnten schwimmen.« Sgubin meldete sich nach dem dritten Klingeln und Laurenti bat ihn, zurück in den Porto vecchio zu fahren und nach den Dokumenten zu suchen. Und natürlich auch nach Galvanos Jackett.
»Wie geht es Irina?« frage der Alte.
»Sie liegt nur ein paar Zimmer weiter. Sie hat uns eine Adresse in San Giacomo genannt, wo wir die beiden Kerle gefunden haben – tot. Der Staatsanwalt bereitet eine gigantische Untersuchung mit Razzien in ganz Oberitalien vor. Sie können Irina übrigens besuchen, sobald Sie wieder auf den Beinen sind, Doc.«
»Was redest du da! Ich bin schwerkrank.« Galvano hustete künstlich.
»Was für einen Sarg soll ich bestellen?« Laurenti griff nach einer Plastiktüte, die er mitgebracht hatte. »Hier«, er zog verstohlen eine Flasche »Jack Daniel’s« heraus und senkte die Stimme. »Besaufen Sie sich gefälligst vorher. Aber seien Sie vorsichtig, die Schwestern und die Ärzte dürfen Sie nicht erwischen.«
»Los, schenk schon ein.« Hastig rappelte Galvano sich im Bett auf und warf einen hektischen Blick zu seinen Mitpatienten. »Da drüben stehen zwei Tassen.«
Laurenti nahm einen Stuhl und setzte sich so, daß er die Tür im Blickfeld hatte und die Flasche vor den Blicken der anderen verbergen konnte. Sie prosteten sich mit einem Augenzwinkern zu.
»Hast du sie eigentlich erwischt?« fragte Galvano nach dem zweiten Schluck.
»Wen?«
»Die Frau auf dem Schlauchboot?«
Laurenti schüttelte den Kopf und dachte an Mia.
Als er um acht Uhr in sein Büro gekommen war, hatte Marietta aufgeregt mit einem Blatt Papier gewedelt und gesagt, daß die DNA der Haarprobe, die Laurenti in seinem Büro nach dem Verhör aufgelesen hatte, mit der vom Val Rosandra übereinstimmte. Er hatte Pina und Sgubin nach Servola geschickt, um die Australierin zu verhaften. Sie waren vor einem verschlossenen Haus gestanden und hatten schließlich von der Nachbarin erfahren, daß Mia um halb sechs bereits von einem Taxi abgeholt worden war. Die Passagierlisten im Triestiner Flughafen Ronchi dei Legionari waren schnell überprüft. Sie war auf einen Flug nach Rom gebucht gewesen. Allerdings gab es keinen Hinweis auf Anschlußverbindungen. Nach Stunden erst hatten sie die Kollegen in Fiumicello aufgehalten, als sie die Maschine der Singapur Airlines besteigen wollte. Morgen käme sie nach Triest zurück. Begleitet von zwei Polizisten.
»Sag schon. Hast du sie gefaßt?« Galvanos Worte rissen ihn aus seinen Gedanken.
»Sie ist uns entkommen. Aber die Kroaten sind hinter ihr her. Ich habe mit Živa Ravno gesprochen. Sie erinnern sich?«
»Deine Geliebte? Schenk nach, bevor jemand hereinkommt.«
Fast wäre Laurenti auf den Trick hereingefallen. Beinahe hätte er genickt. »Die Staatsanwältin aus Pola«, sagte er trocken. »Sie haben heute früh ein riesiges Waffenlager hochgenommen. In der Nähe von Parenzo. In Zusammenarbeit mit unserem Geheimdienst. Maschinengewehre und Sprengstoff. Goma-2 und Semtex.«
Galvano hustete, er hatte sich verschluckt. »Das ist Zeug für die Araber«, krächzte er heiser. »Was hat diese Frau damit zu tun, die Irina befreit hat?«
Laurenti zuckte die Achseln. »Živa sagt, daß sie zu Petrovac gehört und...«
»Zu Drakič«, fiel ihm der Alte ins Wort. »Da haben wir wieder alle beisammen. Hast du nicht manchmal den Eindruck, daß die dich verarschen?«
»Es ist viel schlimmer, Galvano«, sagte Laurenti und nahm einen Schluck Whisky.
»Armer Junge«, der Alte lächelte mild und schaute Laurenti lange an. Dann räusperte er sich und sagte: »Was hältst du davon, wenn wir uns duzen?«
Jetzt war es Laurenti, der sich verschluckte und den Schluck Whisky ins Zimmer prustete. Er starrte Galvano mit großen Augen an. »Und bei welchem Vornamen sollte ich Sie nennen?«
»Sag Galvano zu mir.« Der Blick des Alten kehrte sich nach innen. »Außer meiner Frau hat mich nie jemand mit Vornamen angeredet. Die gehören ihr.«
Oreste John Achille Galvano wackelte mit der leeren Tasse. Laurenti schenkte verstohlen nach und stellte die Flasche in den Nachttisch.
»Was steht eigentlich in diesem verdammten Dokument
Weitere Kostenlose Bücher