Der Tote im Kofferraum
die Küche mit den leckeren Knochen, die dort auf ihn warteten. Er überhörte die strenge Stimme, die rief: »Trusty, was hast du vor, alter Teufel? Komm sofort her.« Beim Anblick von Jim und Delia wedelte der Spaniel freudig mit dem Schwanz, hielt sich aber nicht weiter auf, sondern schoß an ihnen vorbei und strebte zielbewußt der Räumlichkeit zu, von der er aus Erfahrung wußte, daß dort für das leibliche Wohl gesorgt wurde. Jim hörte Huias einladende Stimme: »He, Trusty, alter Junge. Komm, hier gibt es eine Milch für den guten Hund.« Und er und Delia lachten, als Keith die Stufen heraufgeeilt kam.
»Wo ist dieser verdammte Hund? Huia überfüttert ihn. Oh, Verzeihung, Delia. Wie geht es Ihnen? Sie sind ja nicht gerade in Form. Ist wieder etwas geschehen?«
Delia brachte kein Wort heraus, und Tränen traten ihr in die Augen. Das ärgerte sie. Zu dumm, daß sie beim Anblick dieses einfachen jungen Mannes immer das Bedürfnis verspürte zu weinen. Wütend warnte sie sich selbst: Fang diesen Unsinn nicht wieder an, du dumme Gans. Laut sagte sie: »Es ist nichts weiter. Wir haben eine ziemlich schlimme Nacht hinter uns. Ich brauche leider sehr viel Schlaf, deswegen fühle ich mich heute etwas schwach. Kümmern Sie sich einfach nicht um mich. Ich bin nur etwas gereizt, das hat nichts zu sagen.«
Wallace sah erst sie, dann Jim an. »Um Gottes willen, was ist los?« fragte er, und Jim wußte, daß er jetzt sehr viel Zartgefühl beweisen mußte.
»Miss Hunt hat in den letzten zwei Tagen ziemlich viel mitgemacht«, sagte er freundlich. »Der Inspektor hat ihr gerade eine Stunde frische Luft verordnet. Keine schlechte Idee. Ich wollte schon mit ihr spazierengehen, aber mir ist eingefallen, daß ich noch dringend telefonieren muß.«
Jim war ein schlechter Lügner, und die Ausrede klang nicht sehr überzeugend, aber er wußte immerhin, was sich gehörte. Diese beiden sollten zusammen spazierengehen. Die beste Medizin für ein Mädchen war ein junger Mann, dem sie ihr Herz ausschütten und an dessen Schulter sie sich ausweinen konnte, wenn ihr danach zumute war. Und sie sah ganz so aus, als war ihr danach zumute.
Keith bemerkte anscheinend nichts von Jims kupplerischem Bemühen. Er sagte schlicht: »Nun, ich bin gerade auf dem Weg zum Ferienhaus, das Mrs. Wharton gemietet hat. Ich möchte Fancy hier anpflocken und zu Fuß hingehen. Wenn Sie mitkommen wollen, Delia... Das Haus war eine ganze Weile unbewohnt und müßte zumindest gelüftet werden. Vielleicht könnten Sie mir helfen.«
Das war die richtige Art, mit einem leicht verstörten Mädchen zu sprechen, stellte Jim fest. Sehr freundlich, aber praxisbezogen. Kein unnötiges Getue, kein Mitleid. Jim gab Keith Wallace im stillen recht. Er murmelte irgend etwas Unverständliches über seinen erfundenen Telefonanruf und eilte in die Küche, um sich in Huias Gesellschaft zu erholen.
Die alte Maori-Frau war beim Geschirrspülen. In einer Ecke schleckte Trusty seine Milchschüssel leer. Hier war es behaglich, und das gefiel Jim. Er setzte sich an den Tisch und zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. Huia trocknete ihre nassen Hände an der Schürze ab, nahm eine und setzte sich ihm gegenüber. Sie richteten sich auf ein gemütliches Plauderstündchen ein. Das war besser als spazierengehen — sogarmit einem attraktiven Mädchen.
Einige Minuten später war Delia mit einem warmen Mantel und einem Kopftuch ausgerüstet, und Trusty wurde von der Küche abgeholt, wo er dicht neben dem Kühlschrank saß und Huia mit Bettlermiene fixierte. Keith sagte: »Keine Bettelei, Trusty. Komm, alter Freßsack, du brauchst Bewegung. Wir sehen uns später, Huia.« Und Jim beobachtete zufrieden, wie die beiden die Auffahrt entlanggingen und bald hinter der Hecke verschwanden. Annabel würde seine List gebilligt haben.
Huia sprach seine Gedanken aus, als sie bemerkte: »Schön, daß sie spazierengehen. Bald wird es Hochzeit geben, hm?«
Aber darauf deutete nichts hin, als die beiden mit forschen Schritten die Straße hinunter eilten. Das Mädchen schien nichts zu sagen zu haben, und Keith, der gehofft hatte, sie würde ihm von ihrem neuen Kummer erzählen, hatte das Gefühl, daß er sie allein ließ. Ab und zu warf er ihr einen verstohlenen Blick zu, aber ihr blasses Profil ermutigte ihn nicht, Fragen zu stellen. Statt dessen versuchte er, sie aufzuheitern. Er plauderte über seine Farm und die Tiere und erzählte ihr von dem Rat, den ihm Jim Middleton für seine Stute
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