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Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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die beiden Kriminalbeamten die Informationen des Forensikers bereits in ihrem Mailpostfach, als sie in die Ettstraße zurückgekehrt waren. Gerald legte ein Aktenzeichen an und speicherte die Daten ab, Batzko verschickte die Bilder an die Dienststellen, die regelmäßig mit Wohnungslosen zu tun hatten, und an die Abteilung für Vermisstenanzeigen.
    »Ich packe es dann«, meinte er wenige Minuten später und schaltete den Computer aus. Gerald konnte sich denken, wohin er wollte. An Tagen wie diesem wurde München von einem ganz bestimmten Sog erfasst. Die Luft flirrte vor der Lust nach Entspannung. Quälend lange Besprechungen unter Abteilungsleitern fanden ein überraschend schnelles Ende, Richter und Beisitzer verständigten sich nach einem kurzen Blick aus dem Fenster auf ein Urteil, Angestellte waren dankbar für die Errungenschaft der Gleitzeit, und ungezählte Telefonate kannten nur ein Thema: den Biergarten, wo sich die Münchner trafen, wo man über Wochenendpläne redete und über die schimpfte, die nicht genug arbeiteten.
    Doch Gerald zog es nicht in ein Lokal oder einen Biergarten. Und auch nicht in die leere Wohnung, in der wieder einmal niemand auf ihn wartete. Die Trennung von Nele und Severin steckte ihm immer noch in den Knochen, er wollte allein sein mit seinen Gedanken, und so entschied er sich für einen Spaziergang.
    Ziellos schlenderte er über die Lindwurmstraße, betrachtete die Auslagen in den Schaufenstern, ohne sich für die Waren zu interessieren, blieb immer wieder stehen und sah Passanten hinterher. Dann beobachtete er, wie eine Frau in einem Mercedes älterer Bauart rückwärts einparken wollte. Der erste Versuch schlug fehl, sie hatte so weit eingeschlagen, als ob sie auf der Straße hätte wenden wollen. Auch der zweite Versuch scheiterte mit demselben Ergebnis. Also fuhr sie erneut aus der Lücke, setzte brav den Blinker, drehte den Kopf nach hinten – und musste hilflos mit ansehen, wie ein junger Mann in einem Golf-Cabriolet aus dem fließenden Verkehr heraus die Parklücke besetzte, in einem einzigen Versuch, von vorne. Gerald blieb auf dem Bürgersteig in Höhe des Golfs stehen. Er beobachtete, wie die Frau in dem Mercedes die Hände um das Lenkrad krampfte, wie sie tief Luft holte und sich ihre Lippen bewegten, als würde sie sich selbst Mut zusprechen – und schließlich ausstieg. Zwischenzeitlich hatte der Golf-Fahrer das Verdeck per Knopfdruck geschlossen und das Handy in die Hosentasche gesteckt.
    »Haben Sie nicht gesehen, dass ich einparken wollte? Ich hatte den Blinker gesetzt«, sagte die Frau mit mühsam beherrschter Stimme. Gerald schätzte sie auf etwa Mitte dreißig, sehr klein und sehr schmal. Die Sehnen an ihrem Hals traten hervor. Auf ihrer blassen Haut zeigten sich rote Flecken, sie war sichtlich nervös.
    Der Mann hängte die Sonnenbrille lässig in den Ausschnitt seines T-Shirts. Er war deutlich jünger als die Frau, vielleicht Anfang zwanzig, und trug eine weiße Leinenhose, die mittellangen Haare hatte er mit viel Haargel aus dem Gesicht gestrichen.
    »Tja, so kann’s gehen«, antwortete er lediglich und setzte ein schiefes Grinsen auf. »Erst hat man kein Glück, und dann kommt auch noch Pech dazu.«
    Weit und breit war keine Parklücke mehr in Sicht, und der in zweiter Reihe haltende Mercedes blockierte den Verkehr.
    »Sie haben kein Recht dazu, und das wissen Sie. Ich stand bereits auf genau diesem Platz und musste nur noch einmal raus, um besser einzuparken. Ich hatte den Blinker gesetzt, das haben Sie doch wohl gesehen.«
    Der Golf-Fahrer zuckte erneut desinteressiert die Schultern. »Dann nimm noch ein paar Fahrstunden, dann passiert dir das nächstes Mal nicht mehr.« Er ließ die Frau stehen und ging auf den Bürgersteig, direkt auf Gerald zu.
    »Das dürfen Sie nicht«, die Stimme der Frau hatte bereits eine schrille Tonlage erreicht. Den Oberkörper beugte sie nach vorne, doch so klein und zart, wie sie war, wirkte ihre drohende Haltung nur unfreiwillig komisch.
    Der junge Mann drehte sich zu ihr, schüttelte langsam den Kopf, als hätte er es mit einer Begriffsstutzigen zu tun, und sagte von oben herab: »Und? Was willst du jetzt machen, du Schnalle? Die Polizei rufen?«
    »Das ist gar nicht mehr nötig.« Gerald hielt seinen Dienstausweis direkt vor das Gesicht des Mannes. Der wich verdutzt zurück und sah mit hochgezogenen Brauen abwechselnd zu der Frau und Gerald, als vermutete er eine Absprache oder eine Art Fernsehfalle, in die er getappt

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