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Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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war.
    »Okay, junger Mann. Sie haben es in einem einzigen Versuch in die Parklücke geschafft. Wetten, dass Sie es auch in einem einzigen Versuch heraus schaffen werden?«, sagte Gerald trocken.
    Der Fahrer zog eine Schnute, die ihn mit einem Mal noch ein paar Jahre jünger wirken ließ. Ohne zu antworten, setzte er die verspiegelte Sonnenbrille auf, stieg in den Wagen, wartete aber mit dem Starten des Motors so lange, bis das Verdeck komplett geöffnet war. Dann fuhr er, indem er das Lenkrad nur mit dem Handballen bewegte, aus der Parklücke. Als er sich in den Verkehr eingefädelt hatte, hupte er und hob den rechten Arm senkrecht in die Höhe, mit ausgestreckten Fingern, die er nacheinander einknickte. Als Letztes den Mittelfinger, den er lang genug ausgestreckt hielt für eine besondere Botschaft, aber wiederum nicht lang genug, um ihm eine Anzeige ins Haus flattern zu lassen.
    »Und jetzt noch einmal mit aller Ruhe«, sagte Gerald zu der Frau. »Ich warte so lange und gebe Ihnen Zeichen.«
    Sie nickte ihm dankbar zu. Doch in ihrem Gesicht spiegelten sich immer noch die Angespanntheit und Nervosität. Ihr rechtes Augenlid flatterte. Sie atmete tief ein und stieg in den Wagen.
    Gerald wartete, eine halbe Minute, eine ganze Minute, aber der Motor des Mercedes blieb ausgeschaltet. Schließlich ging er zum Wagen, klopfte an die Scheibe der Beifahrertür und stieg ein.
    »Ist Ihnen nicht gut?«
    Die Frau antwortete nicht. Ihre Stirn fiel auf das Lenkrad, und sie begann bitterlich zu weinen.

3
    Obwohl sie es nicht klar aussprachen, rechneten Gerald und Batzko in keiner Minute mit einer Erfolgsmeldung aus dem Obdachlosenmilieu. Die Kollegen von der Streife zeigten das Foto des Toten überall herum, unter den Isarbrücken, in den Unterkünften der Caritas, bei der Bahnhofsmission, beim Sozialamt, bei Anlaufstellen für psychisch Kranke.
    Die Dienststelle für vermisste Personen überprüfte die aktuellen Fälle und recherchierte in den regionalen und überregionalen Datenbanken.
    Doch der entscheidende, erlösende Hinweis kam nicht. Stattdessen erhielt Gerald einen Anruf, auf den er gerne verzichtet hätte. Seine Schwiegermutter teilte ihm mit, dass Severin an einem Darminfekt erkrankt war und absolute Ruhe brauchte. Gerald hätte am liebsten zwei Fragen gestellt: Warum Nele nicht selbst angerufen hatte und ob Väter grundsätzlich als Ruhestörer angesehen wurden? Doch er erkundigte sich lediglich, ob er das übernächste Wochenende einplanen könne. Seine Schwiegermutter antwortete in arktischer Kühle, dass sie sich in keiner Weise zu einer Auskunft ermächtigt sähe. Das würde Nele zu gegebener Zeit selbst entscheiden.
    Nach dem Mittagessen informierte sich Gerald bei einem Kollegen über die vermeintliche Bürgerwehr an den Isarauen von Untergiesing. Er bekam einen Namen, Hans Minker, und eine Adresse in der Sterzingerstraße, gut hundert Meter nördlich des Oertlinwegs.
    Noch am selben Abend standen sie vor einem Backsteinreihenhaus direkt an den Isarauen. Der Fluss war nicht zu sehen, die Bewaldung war zu dicht. Und man hörte auch keine Geräusche, die die abendliche Idylle störten, wenn man von wenigen Fahrradfahrern oder Fußgängern absah, deren mitgeführte Radios Lieder in die Luft streuten, die so flüchtig waren wie Pollen. Die einzige akustische Störung kam aus dem Garten eines der angrenzenden Häuser, wo eine Motorsäge ihre Zähne immer wieder in einen Holzblock grub.
    Gerald wollte gerade zum dritten Mal auf die Klingel drücken, als die Tür geöffnet wurde. Vor ihnen stand ein mittelgroßer, untersetzter Mann in einem hellen T-Shirt und einer blauen Trainingshose. Das dünne, dunkle Haupthaar war streng nach hinten gekämmt und fiel bis tief in den Nacken, was seinem Gesicht etwas zugleich Unzeitgemäßes und Aggressives verlieh. Obwohl der Mann nicht größer war als Gerald, schien er auf ihn herabzublicken.
    »Sie sind die Herren von der Polizei?« Hans Minker trat zur Seite und hob entschuldigend die Arme. In seinen Händen hatte er mehrere Lagen Toilettenpapier, die mit Blut verschmiert waren.
    »Gehen Sie voraus«, sagte er und deutete mit einer knappen Kopfbewegung, die eher einem Unteroffiziersbefehl als einer Einladung glich, auf das Wohnzimmer am anderen Ende der Diele. »Nehmen Sie Platz, ich muss mich noch schnell um meinen Jungen kümmern.«
    Die Kommissare betraten das Wohnzimmer, das von einer mächtigen Schrankwand, einer Couchgarnitur aus schwarzem Kunstleder und einem ovalen

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