Der Traum der Hebamme / Roman
um Reinhard aus tiefstem Herzen. Aber geliebt habe ich immer nur dich, dachte sie. Es ist unmöglich, dass wir heiraten, denn ich ahne, welchen Preis der Landgraf von Thüringen fordern wird, wenn du ihn um Beistand ersuchst. Doch ich wäre bereit, deine Geliebte zu werden und die Folgen auf mich zu nehmen – so groß ist meine Liebe. Ganz gleich, was die Leute dazu sagen. Nur kann ich mich nicht anbieten wie eine Hure, da ich nicht einmal weiß, ob du mich überhaupt noch willst. Der Krieg verändert die Menschen, du hast es selbst gesagt. Und wie es aussieht, musst du vielleicht morgen schon wieder in den Kampf ziehen. Dafür brauchst du all deine Kraft.
Sie öffnete die Augen, doch sie sah Dietrich nicht an, sonst hätte sie weinen müssen. Sie hatte so auf seine Rückkehr gehofft, ihr entgegengefiebert, dafür gebetet … aber jetzt war alles nur noch schwieriger und ihre kaum gefundene Ruhe dahin.
Dietrich riss sich zusammen, legte die verräterische Hand, die immer wieder nach oben zucken wollte, auf den Rücken, räusperte sich, um seine Stimme unter Kontrolle zu bringen, und sagte mit so viel Zuversicht, wie er noch aufbringen konnte: »Ihr und Eure Tochter werdet hier unter meinem Schutz stehen, so lange ich lebe.«
Clara dankte ihm mit einem Nicken, verneigte sich und ging hinaus.
Thomas hatte nach einer Nacht mit nur wenig Schlaf von Dietrich den Befehl erhalten, zusammen mit Norbert, dem Burgkommandanten, auszuwählen, welche der älteren Knappen gut genug für eine Schwertleite waren. Also riefen sie die Burschen zusammen – der Regen hatte zum Glück aufgehört, aber selbst ein Wolkenbruch hätte sie nicht von ihrem Vorhaben abgehalten – und ritten mit ihnen zur Übungswiese unterhalb der Burg. Dort waren Turnierschranken aufgebaut, standen die Puppe aus Stroh, die sie mit der Lanze treffen sollten, und halbmannshohe Holzpfosten für verschiedene Übungen zum Kampf vom Sattel aus.
Zunächst wollte Thomas wissen, wie sich die Burschen mit dem Schwert schlugen. Die Knappen waren allesamt begierig darauf, sich vor dem jungen Ritter zu bewähren, der mit Kaiser Friedrich von Staufen aufgebrochen war, um Jerusalem zurückzuerobern, und der im Morgenland gegen die Sarazenen gekämpft hatte. Doch so sehr sie sich auch mühten – vor Thomas’ Augen fand keiner von ihnen Gnade.
»Zu schwach … zu langsam … zu ungeschickt«, bemängelte er nacheinander ihre Leistungen. Er wusste, dass er ungerecht war, dass die meisten von ihnen Beachtliches zeigten; Norbert und seine Männer hatten sie hart und gut ausgebildet.
Aber er hatte ständig die Knappen vor Augen, die während des Kreuzzuges gestorben waren, ohne dass er es verhindern konnte: elendig eingegangen an Seuchen, erschlagen oder verhungert.
Vielleicht würden sie schon in ein paar Tagen im Krieg gegen den rachsüchtigen Markgrafen von Meißen stehen. Und er wollte diese Jungen, die ihn mit bewundernden Blicken anstarrten, wenn er einen der Ihren mit einer einzigen schnellen Bewegung entwaffnete und zu Boden zwang, nicht so sterben sehen, wie sein Knappe Rupert gestorben war.
»Ihr seid recht schlecht gelaunt für einen Helden«, sagte eine der jungen Frauen zu ihm, die ihnen auf die Kampfwiese gefolgt waren, um das Spektakel anzuschauen. Sie war unbestritten die hübscheste; mit hellem Haar und strahlend blauen Augen, wenn auch sicher etwas älter als er. Nun lächelte sie ihn sogar an.
»Es ist wenig Heldenhaftes daran, ein halbes Jahr lang im Schlamm zu liegen und eine uneinnehmbare Stadt zu belagern«, wies er sie schroff zurück.
»Wollt Ihr nun Eure schlechte Laune durch übermäßige Bescheidenheit wiedergutmachen, mein Held?«, gab sie keck zurück. Die Mädchen, die sie begleiteten, kicherten, dann drehten sie sich um und schlenderten zur Burg.
Thomas fragte sich, ob es hier wohl Sitte war, dass die Weiber bei den Waffenübungen der Knappen zusahen. Er kam gar nicht auf den Gedanken, dass sie dies nur taten, um ihn zu beobachten, und insgeheim schon Rangeleien um seine Gunst angefangen hatten. Nachdem so viele Männer nicht aus dem Heiligen Land zurückgekehrt waren, gab es zu viele junge Witwen in Weißenfels und zu viele Mädchen ohne Vater.
Als sie von der Kampfwiese wieder hoch zur Burg geritten waren und er die Knappen mit einer mürrischen Bemerkung Norbert überlassen hatte, musste er feststellen, dass ihm die junge Frau bei den Ställen auflauerte.
»In den harten Zeiten des Krieges habt Ihr wohl zu lange die
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