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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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er. »Das gehört sich einfach nicht für einen Ritter, keinen Boden unter den Füßen zu haben. Und diese Enge! Man kann nicht einmal pissen, ohne dass einem die gesamte Mannschaft zusieht! Und noch nie in meinem ganzen Leben habe ich solchen Fraß vorgesetzt bekommen!«
    Dietrich verkniff sich die Bemerkung, dass sie beide im Vergleich zu den anderen Pilgern durchaus bevorzugt untergebracht waren. Sie mussten sich nicht die Pritsche mit einem anderen in den überfüllten Zwischendecks teilen, wo ihnen im Schlaf die Ratten übers Gesicht liefen, sondern waren wie die übrigen Fürsten auch für teures Geld in Kammern untergebracht, im sogenannten »Paradies«. Und statt fauligem, mit Essig versetztem Wasser und verdorbenem Hartbrot bekamen sie Wein und Fleisch. Doch der Übelkeit, den schlingernden Bewegungen des Schiffes, dem Lärm, dem Gestank, dem Ungeziefer und dem Mangel an Wasser konnten sie nicht einmal für alles Geld der Welt entrinnen.
    »Jetzt weiß ich, warum sich all diese Normannen, Franzosen und Italiener seit hundert Jahren hier festgesetzt haben, statt wieder nach Hause zu segeln«, fuhr Konrad fort, vom Leder zu ziehen. »Sie wollten nicht noch einmal in so ein schreckliches Gefährt steigen! Ich kann mir nicht vorstellen, dass es schlimmer sein soll, auf dem Landweg zu reisen – auch wenn ihr damals mehr als ein ganzes Jahr dafür gebraucht habt.«
    Dietrich erwiderte nichts darauf. Ehrlich gesagt, fiel es ihm schwer zu entscheiden, was übler war. Doch wenn er sich erinnerte, wie sie damals ohne Wasser und Proviant in voller Rüstung durch das anatolische Hochland ziehen mussten, sich nur vom Urin und Blut ihrer Pferde ernährten und dabei auch noch ständig angegriffen wurden, erschien ihm eine Seereise von zweiundzwanzig Tagen als das geringere Übel – zumal sich nun endlich im wahrste Sinne des Wortes Land in Sicht zeigte. Außerdem war ihnen der Landweg durch feindliche Truppen versperrt.
    »Und sollte eine Pilgerreise nicht die Frömmigkeit fördern?«, beschwerte sich der wortgewaltige Markgraf des Ostens weiter. Er wurde immer lauter, weil er sich in Rage redete und weil angesichts des nahenden Hafens der Lärm und die Geschäftigkeit auf dem überfüllten Deck immer größer wurden. Linker Hand hatte sich eine größere Gruppe Ritter versammelt, die lautstark prahlten, wer von ihnen zuerst einen Heiden erschlagen würde.
    »Von gestiegener Frömmigkeit spüre ich nichts«, beschwerte sich Konrad. »Im Gegenteil: Mehr denn je hätte ich jetzt Lust, demjenigen an die Gurgel zu gehen, der uns diese Sache eingebrockt hat!«
    Dietrich wollte warnend etwas sagen. Dies war nun wirklich nicht der richtige Ort, um den Kaiser zu beschimpfen. Doch Konrad erkannte seinen Einwand schon am Mienenspiel und stellte richtig: »Deinen Bruder! Albrecht! Zu seinem Glück ist er bereits tot …«
    Der Anführer von Konrads Rittern näherte sich und meldete, dass gepackt und jedermann entweder zu den Pferden oder zum Transport der Gepäcks und der Waffen eingeteilt sei.
    Als er wieder zwischen den Pilgern verschwunden war, die dicht nebeneinandergedrängt Richtung Hafeneinfahrt starrten und es gar nicht erwarten konnten, festen Boden zu betreten, meinte Konrad: »Allen Heiligen sei Dank, dass dieser Hafen bei jedem Wetter angefahren werden kann! Jetzt hat das Elend ein Ende!«
    Doch Dietrich, eingedenk seiner Erfahrungen auf dem Kreuzzug Kaiser Friedrichs, hielt ihm zynisch entgegen: »Du irrst, Vetter. Jetzt fängt es erst richtig an.«
    Konrad starrte ihn an und verstummte für einen Augenblick.

Die Mahnung des Königs
    D ie Wallfahrer, die das Schiff verließen, knieten nieder, sobald sie festen Boden unter den Füßen hatten, und dankten Gott für die glückliche Ankunft im Heiligen Land.
    Während immer mehr schwerbeladene Männer das Ufer betraten, wurden die Ladeklappen geöffnet und die vom langen Stehen steifen und geschwächten Pferde herausgeführt.
    Eines von Dietrichs Packpferden war auf halber Strecke krepiert, die anderen und ebenso Drago hatten die anstrengende Reise dank der Bemühungen von Wito und Thomas überstanden, wenn auch in erbärmlichem Zustand. Man sah ihnen an, dass jeder Schritt sie schmerzte. Doch sie würden sich wieder erholen, wenn sie erst ausreichend Bewegung und frisches Wasser hatten.
    Ein paar kräftige Männer zerrten eine Holzkiste an Land, die den Leichnam eines auf See Verstorbenen enthielt. Der Mann hatte den Kapitän angefleht und ihm eine ungeheure Summe

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