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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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übertrieben. Zwar war Lukas nun wieder Hauptmann der Wache, aber Heinrich immer noch sein Vorgesetzter. Und Bernhard konnte nicht sehen, welch ein Aufwand hier getrieben wurde.
    Verstohlen blickte Lukas zu Marthe, die an seiner Seite saß. Sie hatte eine so andächtig-begeisterte Miene aufgesetzt, als würde sie sich tatsächlich geehrt fühlen. Dabei stand außer Frage, dass sie Heinrich und Ida ebenso durchschaute wie ihr Mann.
    Sie ist so grundehrlich und anständig, dachte Lukas voller Zärtlichkeit. Sie hasst es, sich zu verstellen, und an ihrem Gesicht kann ich meistens genau ablesen, was sie denkt. Aber wenn es sein muss, wenn es gegen einen Feind geht, dann kann ich mich darauf verlassen, dass sie sich eine Narrenkappe aufsetzt und vollendet die Rolle spielt, die die Welt von ihr erwartet: die eines eingeschüchterten, arglosen und leicht zu täuschenden Weibes.
    Er sah, dass auch um Marthes Mundwinkel für einen kurzen Augenblick ein verächtliches Lächeln über Heinrichs Übereifer spielte.
    Ja, er bepisst sich fast vor Angst, dachte Lukas belustigt. Und er schwitzt sich halb zu Tode, weil er krampfhaft nach Worten sucht, um sich im besten Licht darzustellen. Das wollen wir ihm doch fürs Erste einmal etwas erleichtern und seine Zunge lockern.
    Sie waren nicht gekommen, um sich über ihn und Ida lustig zu machen, sondern um Wichtiges zu erfahren und mit Bernhards Hilfe Druck auf sie auszuüben. Spätestens morgen würde Lukas die Stachel ausfahren und sich nacheinander jeden Einzelnen von der Besatzung vornehmen, der sich gegenüber den Stadtbewohners etwas zuschulden kommen ließ. Und Heinrich sollte es nicht wagen, ihm dabei in die Quere zu kommen. In diesem Punkt war ihm die vorauseilende Unterwürfigkeit des Stiernackigen gegenüber dem Gewährsmann des Statthalters von Nutzen.
    Der Kellermeister klopfte zaghaft an, ließ ein Tischchen, diverse Krüge und Becher hereintragen und begann auf Befehl des Vogtes mit der Vorkostzeremonie.
    Sie war natürlich nicht so umfangreich wie unter Albrecht, der zum Schluss sogar das Wasser zum Händewaschen und das Spülwasser für die Becher hatte vorkosten lassen. Auf dieser Burg gab es auch keinen Schenken. Und in der Kammer wurde es allmählich eng.
    Aber der Kellermeister mühte sich nach Leibeskräften, die Sache feierlich in die Länge zu ziehen: Er verkostete das Wasser, das mit dem Wein gemischt wurde, fragte die Gäste, ob sie Roten oder Weißen wünschten, probierte auch den Wein und drehte jedes Mal den Becher nach unten als Beweis dafür, dass er alles ausgetrunken hatte.
    Als endlich jeder am Tisch seinen Becher gefüllt hatte, erhob sich Heinrich, streckte sein Trinkgefäß feierlich empor und brachte ein dreifaches »Vivat!« auf den Kaiser aus.
    Nun durfte der Küchenmeister eintreten, der vor der Tür gewartet hatte. Infolge der ausgiebigen Zeremonie war das Essen inzwischen kalt.
    Davon abgesehen, hatte sich Heinrich auch hierin nicht lumpen lassen: dreierlei Fleisch, zwei verschiedene Soßen mit Kräutern in Essig, zweierlei Fisch und als besonderen Leckerbissen in Honig eingelegte Früchte.
    Um das Gespräch nach dem Tischgebet in Gang zu bringen, ergriff Ida sogleich das Wort. »Ihr seid ja mit so wenig Gepäck angereist, meine Liebe«, sagte sie mit falscher Bekümmertheit zu Marthe. »Sagt nur, wenn ich Euch mit etwas aushelfen kann! Ich könnte Euch eines meiner Kleider schenken.«
    Bloß nicht das gelbe!, dachte Marthe und verschluckte sich. Lukas klopfte ihr auf den Rücken, bis sie wieder durchatmen konnte. Dann entschuldigte sie sich für ihr Versehen und sagte mit einem ebenso strahlenden wie falschen Lächeln: »Das ist sehr freundlich von Euch, Ida. Aber wir haben genug Silber mitgebracht, um den ganzen Haushalt neu einzukleiden. Es gab hier früher immer so einen guten Tuchhändler und einen sehr geschickten Gewandschneider, Josef und Anselm, wenn ich mich recht erinnere. Leben die beiden noch?«
    »O ja!«, beeilte sich Ida zu versichern. »Eine kluge Entscheidung, meine Teure. Dieser Anselm ist in der Tat tüchtig mit Schere, Nadel und Faden. Er wird Euch wundervolle Bliauts anfertigen. Vielleicht sogar mit etwas Rohseide abgesetzt? Die bezieht er von den Händlern am Judenberg.«
    Neugierig wartete Ida, wie Marthe darauf reagierte. Ob sie wohl so viel Geld hatte, um sich das leisten zu können?
    »Aber es gibt auch einen hervorragenden Bortenwirker im Nikolaiviertel!«, ergänzte sie, als Marthe nichts sagte. »Hier, seht!«
    Sie

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