Der Traum der Hebamme / Roman
hielt, die hiesige Burgwache zu tüchtigen Kämpfern auszubilden. Jeder wusste, worauf er damit anspielte.
»Ist das nicht meine Aufgabe?«, hatte Lukas leichthin geantwortet; und dann, mit deutlich mehr Gewicht: »Ich werde sie dazu bringen, dass sie im Ernstfall auf
meiner
Seite kämpfen.«
Auch wenn sie unter Freunden waren – mit diesem Satz hatte er sich weit vorgewagt. Gegen jede Vernunft hofften alle hier im Raum immer noch, dass sich für Dietrich eine Gelegenheit ergab, die Mark Meißen zu erobern.
Entweder wollte von Zbor ihm deshalb ins Gewissen reden, oder er hatte Neuigkeiten – den Kaiser betreffend oder den Kreuzzug. Also nickte Lukas dem Slawen kurz zu, stand auf und ging hinaus. Sollten die anderen unbeschwert weiterfeiern. Schlechte Nachrichten sprachen sich ohnehin meistens schneller herum als nötig.
»Sag schon: Mit welchem Ärger müssen wir rechnen?«, fragte er draußen.
Der Hüne starrte ihn für einen Augenblick verblüfft an, dann zog wieder das typische unbekümmerte Lächeln über sein Gesicht.
»Ärger? Nein, nichts, was ich nicht schon mit diesen beiden Händen geklärt hätte«, meinte er grinsend und hob seine Pranken.
Dann strich er sich ungewohnt verlegen über den sorgfältig geschnittenen Bart, zögerte und brachte schließlich hervor: »Es ist etwas ungewöhnlich … und für mich auch ganz unerwartet … Das ist mir noch nie passiert, ehrlich gesagt … Aber ich würde gern um die Hand deiner Stieftochter anhalten … sofern du nicht andere Pläne für sie hast … Jetzt gleich und auf der Stelle.«
Er atmete tief, als es heraus war.
Lukas war sprachlos vor Staunen. Der Kampfgefährte hatte Clara doch gerade erst kennengelernt!
Seit Jahren zergrübelte er sich den Kopf, wie er Clara glücklich wieder unter die Haube bringen konnte – was zugegebenermaßen sehr schwer war angesichts ihrer Weigerung und der zwei unehelichen Kinder.
Und jetzt platzte ihm vielleicht unerwartet eine Lösung ins Haus?
Lukas schätzte Boris von Zbor, der war ein tapferer Mann, ohne Falsch und von unverbrüchlichem Humor. Doch in Bezug auf Frauen war er etwas leichtlebig, und mit Heiraten hatte er bisher nichts im Sinn gehabt.
Durfte er ihm Clara anvertrauen?
Boris schien seine Zweifel an der Stirn ablesen zu können.
»Sie ist eine ungewöhnliche Frau. Eine tapfere Frau. Ihr könnte ich ehrlichen Herzens Treue schwören«, sagte er leise.
»Du weißt um die besonderen Umstände …«, erinnerte Lukas ihn.
Boris blickte ihn beinahe entrüstet an. »Es ist ja nicht so, dass sie sich mit jedem Stallknecht herumgedrückt hätte! Dietrich wird für seine Söhne sorgen. Aber denke ja nicht, ich will sie wegen einer Weißenfelser Mitgift!«
»Weißt du, wie schwer es ist, dieses Mädchen zum Heiraten zu überreden?«, stöhnte Lukas.
»Ehrlich gesagt, wird mir ganz mulmig zumute, wenn ich mir vorstelle, sie könnte mich
nicht
mögen. Ich will sie natürlich nicht verschrecken … und geduldig um sie werben, wie es sich gehört. Aber wirst du ein gutes Wort für mich bei ihr einlegen? Und mir deinen Segen geben, alter Freund?«
»Das werde ich«, versprach Lukas. »Du sagt es selbst: Verschreck sie nicht, geh die Angelegenheit ganz sacht an! Zwingen werde ich sie nicht. Aber ich wäre wirklich froh, wenn sie jemanden hat, der sich ihrer annimmt. Und der sie glücklich macht. Sie hätte es verdient.«
Marthe kam heraus, mit dem untrüglichen Gefühl dafür, wann Lukas sie brauchte.
Erleichtert atmete Lukas auf und erzählte ihr brühwarm die überraschende Neuigkeit. »Was meinst du? Könnten wir sie dazu bringen?«, fragte er.
Boris von Zbor ließ kein Auge von Marthe, während sie nach einer Antwort suchte.
Der Slawe war das genaue Gegenteil von dem beherrschten, oft grüblerischen Dietrich. Oder gar von Claras Kindheitsfreund Guntram, der ihr immer noch heimlich nachschaute, so dass Marthe manchmal befürchtete, die beiden könnten trotz aller Standesschranken zueinanderfinden, obwohl Guntram und Lisbeth gut miteinander auskamen.
Boris von Zbor würde Clara nicht nur vor allem Gerede und Anfeindungen zuverlässig schützen – seine Lebensfreude und sein entwaffnender Humor könnten ihr guttun. Taten ihr schon gut, überlegte Marthe mit feinem Lächeln, denn endlich hatte sie ihre Tochter an diesem Abend wieder einmal lachen sehen. Und dass Clara ihr bestes Kleid trug, nachdem der Slawe sie aufgesucht hatte, war ein Zeichen, auch wenn das wohl keinem der Männer
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