Der Traum des Wolfs
Zögernd streckte Galad die Hand aus und berührte die Erscheinung an der Wange. Die Haut war warm.
»Galad?«, sagte sie. »Was tust du hier? Wieso …«
Sie verstummte, als er sie in eine Umarmung riss und alle um ihn herum überrascht zusammenzuckten. Auch sie zuckte zusammen. Sie lebte! Aber wieso?
Ich habe Valda getötet, war Galads erster Gedanke. Ihn für den Tod meiner Mutter getötet. Die nicht tot ist. Ich habe etwas Böses getan.
Nein. Valda hatte für seinen Angriff auf Morgase den Tod verdient. Oder stimmte dieser Teil nicht? Er hatte mit Kindern gesprochen, die sich sicher gewesen waren, aber sie waren auch davon überzeugt gewesen, dass sie tot war.
Er würde das später klären. Im Moment musste er aufhören, sich vor seinen Männern zum Narren zu machen. Er ließ seine Stiefmutter los, aber sie hielt weiter seinen Arm. Sie erschien wie betäubt. Selten hatte er sie so gesehen.
Perrin Aybara war aufgestanden und beobachtete sie mit gerunzelter Stirn. »Ihr kennt Maighdin?«
»Maighdin?«, fragte Galad. Sie trug ein einfaches Kleid und keinen Schmuck. Versuchte sie sich als Dienerin zu tarnen? »Aybara, das ist Morgase Trakand, Verteidigerin des Reiches, Beschützerin des Volkes, Hohe Herrin von Haus Trakand. Sie ist Eure Königin!«
Stille kehrte in den Pavillon ein. Aybara kratzte sich nachdenklich an seinem Bart. Seine Frau betrachtete Morgase mit großen Augen, entweder schockiert oder wütend.
»Maighdin«, sagte Aybara, »stimmt das?«
Sie hob das Kinn und starrte Aybara in die Augen. Wie konnten sie nicht die Königin in ihr erkennen?
»Ich bin Morgase Trakand«, sagte sie. »Aber ich habe zugunsten von Elayne auf meinen Thron verzichtet. Unter dem Licht verkünde ich, dass ich diese Krone nie wieder beanspruche. «
Galad nickte. Ja. Sie musste gefürchtet haben, dass Aybara sie gegen Andor benutzen würde. »Ich nehme dich mit in mein Lager, Mutter«, sagte Galad und ließ Aybara nicht aus den Augen. »Dann können wir in Ruhe darüber sprechen, wie dich dieser Mann behandelt hat.«
Sie sah Galad ganz ruhig an. »Ein Befehl, Galad? Habe ich in dieser Angelegenheit nichts zu bestimmen?«
Er runzelte die Stirn, beugte sich vor und flüsterte: »Hat er noch andere Gefangene? Welches Druckmittel hat er gegen dich?«
Sie schüttelte den Kopf und erwiderte leise: »Dieser Mann ist nicht das, was du denkst, Galad. Er ist noch ungeschliffen, und mir gefällt natürlich nicht, was er Andor antut, aber er ist kein Freund des Schattens. Ich habe mehr von deinen … Bundesgenossen zu fürchten als von Perrin Aybara.«
Ja, sie hatte Gründe, den Kindern zu misstrauen. Gute Gründe. »Begleitest du mich? Ich verspreche dir, dass du jederzeit gehen und zu Aybaras Lager zurückkehren darfst. Was auch immer du in der Vergangenheit durch die Kinder erlitten hast, jetzt bist du sicher. Das schwöre ich.«
Morgase nickte.
»Damodred«, sagte Aybara, »wartet einen Moment.«
Galad drehte sich um und legte wieder die Hand auf den Schwertknauf. Nicht als Drohung, sondern als Erinnerung. In dem Pavillon hatten viele angefangen, miteinander zu tuscheln. »Ja?«
»Ihr wolltet doch einen Richter«, sagte Aybara. »Würdet Ihr Eure Mutter in dieser Position akzeptieren?«
Galad zögerte nicht. Natürlich, sie war seit ihres achtzehnten Namenstages Königin gewesen, und er hatte sie erlebt, wie sie Gericht hielt. Sie war gerecht. Hart, aber gerecht.
Aber würden die anderen Kinder sie akzeptieren? Sie war von Aes Sedai unterrichtet worden. Sie hatten sie als eine der ihren betrachtet. Das war ein Problem. Aber wenn das einen Ausweg aus dieser Situation bot, dann konnte er ihnen vielleicht die Wahrheit erklären.
»Das würde ich«, sagte Galad. »Und wenn ich für sie bürge, würden das auch meine Männer.«
»Gut«, sagte Aybara. »Ich akzeptiere sie auch.«
Beide Männer wandten sich Morgase zu. Sie stand da in ihrem einfachen gelben Kleid und sah mit jedem verstreichenden Moment mehr wie eine Königin aus. »Perrin«, sagte sie, »wenn ich die Richterin bin, lasse ich keine Nachsicht walten. Ihr habt mich aufgenommen, als wir Schutz brauchten, und das erkenne ich an. Aber falls ich entscheide, dass Ihr gemordet habt, werde ich meine Entscheidung nicht für mich behalten.«
»Das reicht mir«, sagte Aybara. Er schien es ehrlich zu meinen.
»Mein Kommandierender Lordhauptmann«, flüsterte Byar Galad voller Inbrunst ins Ohr. »Ich fürchte, das würde eine Farce sein! Er hat nicht gesagt, dass
Weitere Kostenlose Bücher