Der Traum des Wolfs
wieder ins Zimmer und kehrte zu ihrem Diwan zurück, dann befahl sie einem von Graendals Schoßtieren, ihre zahme Aes Sedai zu holen. Noch immer waren Aran’gars Wangen vor Lust gerötet; vermutlich würde sie sich mit Delana ablenken. Es schien sie zu amüsieren, die hässliche Aes Sedai zur Unterwürfigkeit zu zwingen.
Delana trat wenige Augenblicke später ein; sie hielt sich stets in der Nähe auf. Die Schienarerin hatte helle Haare und war stämmig gebaut, mit kräftigen Gliedmaßen. Graendal verzog geringschätzig die Lippen. So ein hässliches Ding. So ganz anders wie Aran’gar. Sie hätte ein ideales Schoßtier abgegeben. Vielleicht würde Graendal ja eines Tages die Gelegenheit bekommen, sie in eins zu verwandeln.
Aran’gar und Delana fingen an, auf dem Diwan Zärtlichkeiten auszutauschen. Aran’gar war unersättlich, eine Tatsache, die Graendal bei zahllosen Gelegenheiten ausgenutzt hatte. Die Verlockung der Wahren Macht war da nur die letzte in einer langen Reihe. Natürlich genoss Graendal selbst solche Vergnügungen, aber sie sorgte dafür, dass alle Welt sie für weitaus ausschweifender hielt, als sie in Wirklichkeit war. Wenn man wusste, was die Leute von einem erwarteten, konnte man diese Erwartungen benutzen. Wenn …
Graendal erstarrte, als ein Alarm in ihren Ohren losging, der Laut gegeneinander schmetternder Wellen. Aran’gar fuhr mit ihren Vergnügungen fort; sie konnte den Laut nicht hören. Das Gewebe war sehr spezifisch und an einem Ort angebracht, wo ihre Diener einem die Warnung zukommen lassen konnten.
Graendal stand auf und schlenderte ohne das geringste Anzeichen von Eile zur anderen Zimmerseite. An der Tür schickte sie ein paar ihrer Schoßtiere los, damit sie Aran’gar noch weiter ablenkten. Es war besser, das Ausmaß des Problems herauszufinden, bevor sie die andere Auserwählte darin verwickelte.
Graendal durchquerte einen Korridor voller Spiegel und goldener Kronleuchter. Auf der halben Höhe einer Treppe kam ihr Garumand entgegengelaufen, der Hauptmann ihrer Palastwache. Er war Saldaeaner, ein entfernter Cousin der Königin; er trug einen dichten Schnurrbart im schmalen, hübschen Gesicht. Der mit der Einen Macht herbeigeführte Zwang hatte ihn natürlich völlig loyal gemacht.
»Große Lady«, sagte er keuchend. »Man hat einen Mann gefangen genommen, der auf den Palast zukam. Meine Männer erkannten ihn als unbedeutenden Adligen aus Bandar Eban, einen Angehörigen von Haus Ramshalan.«
Graendal runzelte die Stirn, dann bedeutete sie Garumand ihr zu folgen, während sie den Weg zu einem ihrer Audienzgemächer einschlug. Es war ein kleiner, fensterloser Raum, den man in Scharlachrot eingerichtet hatte. Sie webte ein Schutzgewebe gegen Lauscher, dann befahl sie Garumand, den Eindringling zu holen.
Kurz darauf kehrte er mit ein paar Wächtern und einem Domani zurück. Der Fremde trug Hellgrün und Blau, auf der Wange prangte ein Schönheitsfleck in Form einer Glocke. Winzige Glöckchen waren in den sauber gestutzten kurzen Bart geflochten, die bimmelten, als ihn die Wächter vorwärtsstießen. Er klopfte sich die Ärmel ab, starrte die Soldaten böse an und richtete das zerknitterte Hemd. »Darf ich davon ausgehen, dass man mich …«
Er verstummte mit einem würgenden Laut, als Graendal ihn mit Geweben aus Luft fesselte und in seinen Verstand eindrang. Er stotterte, ein leerer Blick trat in seine Augen.
»Ich bin Piqor Ramshalan«, sagte er monoton. »Der Wiedergeborene Drache hat mich geschickt, um eine Allianz mit der Kaufmannsfamilie zu schließen, die in dieser Festung wohnt. Da ich bedeutend schlauer und wortgewandter als al’Thor bin, braucht er mich, um Bündnisse zu schmieden. Er fürchtet sich besonders vor den Bewohnern dieses Palastes, was ich lächerlich finde, da er abseits gelegen und unbedeutend ist.
Offensichtlich ist der Wiedergeborene Drache ein schwacher Mann. Wenn ich sein Vertrauen gewinne, kann ich der nächste König von Arad Doman werden, davon bin ich überzeugt. Ich wünsche, dass Ihr ein Bündnis mit mir eingeht und nicht mit ihm, und ich verspreche Euch große Vorteile, sobald ich König bin. Ich …«
Graendal schwenkte die Hand, und er unterbrach sich mitten im Wort. Sie verschränkte die Arme. Ihre Haare stellten sich auf, weil sie zitterte.
Der Wiedergeborene Drache hatte sie gefunden.
Er hatte ein Ablenkungsmanöver zu ihr geschickt.
Er glaubte, sie manipulieren zu können.
Augenblicklich webte sie ein Wegetor zu einem ihrer
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