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Der Computer und die Unsterblichen

Der Computer und die Unsterblichen

Titel: Der Computer und die Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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1.
     
    Ich raste jenseits der Bogue-Bank die Küste abwärts, die Verfolger immer dicht auf den Fersen. Endlose salzige Ebenen wie die Steppen Mittelasiens (hier Musik von Borodin); schmutzige Haufen salzigen Schlamms, wo Prospektoren der neuen Art den Boden nach seltenen Erden durchsiebten; Türme giftiger Dämpfe am Osthorizont, wo die Pumpwerke das Atlantikwasser einsogen und Deuterium zur Energiegewinnung herausholten. Die meisten fossilen Brennstoffe waren verbraucht; die mittlere Meereshöhe der Ozeane war um siebzig Zentimeter abgesunken; Fortschritt.
    Ich war unterwegs zu Herb Wells' Schlupfwinkel. Er hat eine Technik zur Wiedergewinnung von Gold entwickelt (das heutzutage niemand mehr will) und schleppt nun mit einer verrückten Zeitmaschine, die ihm innerhalb der Gruppe den Spitznamen H. G. Wells eingetragen hat, Goldbarren zurück in die Vergangenheit. Er schenkt sie Leuten wie van Gogh und Mozart und versucht sie von materiellen Sorgen zu befreien, damit sie mehr gute Dinge für die Nachwelt schaffen können. Bisher hat es nie geklappt. Kein Sohn von Don Giovanni.
    Den Landstreicherzinken folgend, mit denen Herb die Gruppe einzuweisen pflegt, kam ich in einen Stollen unter einer Abraumhalde, wo ich NaCl, MgCl 2 MgSO 4 , Kalium, Bromide und möglicherweise Spuren von Herbs Gold inhalierte. Schließlich kam ich an die Bunkertür. Natürlich verschlossen. Ich hämmerte dagegen, während ich draußen schon das Geknatter des Hubschraubers hörte, und es war die Frage, ob sie mich kriegen würden, bevor Herb mich hörte, aber er hörte.
    »Quien dat? Quien dat?« rief er auf spanglisch.
    »Ich bin's, Guig«, brüllte ich im Englisch des XX. Jahrhunderts. Das ist die Geheimsprache der Gruppe. »Ich bin in der Klemme. Laß mich 'rein.«
    Die Tür klappte auf, und ich fiel hinein. »Mach schnell dicht, Herb. Vielleicht haben sie mich gesehen.«
    Er schloß die Stahltür und verriegelte sie. »Was zum Teufel hast du angestellt, Guig?«
    »Das Übliche. Ich hab' wieder einen umgelegt.«
    »Und die Polizei macht deswegen ein Aufhebens? Erzähl mir keine Geschichten.«
    »Er war Gouverneur.«
    »Ach so. Von den wichtigen Leuten solltest du die Finger lassen, Guig. Das muß Verdruß geben.«
    »Ich weiß, aber sie sind die einzigen Kandidaten, die umzulegen sich lohnt.«
    »Wie viele Fehlschläge hattest du bisher?«
    »Ich hab' nicht mitgezählt.«
    »Und keinen Erfolg.« Herb dachte nach. »Vielleicht sollten wir uns zusammensetzen und darüber sprechen. Ich denke ...«
    Die Stahltür vibrierte unter wütendem Gehämmer.
    »Da sind meine Freunde«, sagte ich ohne Freude. »Kannst du mich mit deinem Zeitding irgendwohin schießen, Herb?«
    »Du hast dich immer geweigert, einen Trip zu machen, und nun willst du auf einmal«, sagte Herb. »Du hast mich verletzt.«
    »Ich muß für ein paar Stunden verschwinden. Wenn sie mich hier nicht finden, werden sie dir keine Scherereien machen. Du mußt das mit dem Zeitding entschuldigen, Herb, aber ich habe mich immer davor gefürchtet. Den anderen geht es genauso.«
    »Mir auch. Komm mit.«
    Ich folgte ihm in die Schreckenskammer und setzte mich in die verrückte Maschine, die wie eine Gottesanbeterin aussieht. Herb reichte mir einen Goldbarren. »Ich wollte ihn gerade Thomas Chatterton geben«, sagte er. »Du kannst es für mich machen.«
    »Chatterton? Du meinst den jung verstorbenen Dichter?«
    »Denselben. Beging 1770 Selbstmord, von vielen betrauert. Arsen. Er war ohne Brot und Hoffnung. Du wirst nach London gehen. Er haust in einer Dachstube in der Brook Street. Kapiert?« Ich nickte, und er fuhr fort: »Ich werde die Maschine auf drei Stunden einstellen, das sollte dir genug Zeit geben. Außerdem werde ich dich an einem bekannten Platz absetzen, damit du dich orientieren kannst. Nach drei Stunden solltest du dort wieder auftauchen, sonst können wir dich nicht zurückholen.«
    Das Hämmern wurde lauter und ungeduldiger. Herb arbeitete mit Schaltern und Kalibriervorrichtungen, und es gab ein Knistern von Starkstrom, und dann saß ich im Regen in einer Schlammpfütze, und ein Typ wie George Washington auf einem braunen Pferd ritt mich beinahe nieder und brüllte, ich solle nicht auf einer öffentlichen Straße herumsitzen.
    Ich stand auf, zog mich zurück und bekam einen Tritt an den Kopf. Ich zuckte zusammen, wandte mich um und sah, daß es ein quelläugiger Leichnam war, der an einem Galgengerüst hing. Herb hatte mich wirklich an einen bekannten Platz gebracht –

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