Der Traumkicker - Roman
und noch dazu gegen den Torhüter der Staubfresser, der bekannt dafür war, die unglaublichsten Strafstöße zu halten, ja sogar wegen seiner unfassbaren Gabe, immer die richtige Ecke zu ahnen, den Spitznamen »Zamora der Seher« trug.
Das Spektakel, das die vielen tobenden Menschen hinter dem Tor veranstalteten, war nicht von schlechten Eltern. Man hätte meinen können, erzählte TunyRobledo später, er müsse mit seinem Schuss nicht nur den Schlussmann der Staubfresser, sondern dazu diesen Haufen von Leute überwinden, »das gesamte Mikrobengesumms aus tobenden und gestikulierenden Leuten, das sich da hinterm Tor ballt, meine Damen und Herren, auf der gesamten Länge der Schmalseite und fast bis nach vorn über die Torlinie!«, schrie Cachimoco Farfán in alle vier Winde, fast schon heiser von der Übertragung des Spielberichts und vor allem von diesen letzten Ereignissen; eines hitzigen Spielberichts, den man, wie die Leute glauben, noch heute an windigen Abenden auf der Brache hören kann, zu der unser Sportplatz geworden ist, und im gesamten Umkreis, wo einst die Siedlung stand. Denn genau wie Bruder Zacarías Ángel prophezeit hatte, sollte Coya Sur nicht zu einer Geistersiedlung werden wie so viele, die man verstreut in der Wüste findet, sollte nicht nur verlassen, ausgeschlachtet und geschleift, sondern für immer von den geografischen und politischen Landkarten der Republik Chile getilgt werden. Und so kam es am Ende. Kein Stein blieb auf dem anderen, keine Erinnerung unangetastet, selbst die Algarroben und Pfefferbäume auf der Plaza Redonda wurden niedergemacht. Man wütete, bis keine Spur geblieben war von dem Leben, das einst hier gelebt worden war, von der Liebe, die man hier erfahren hatte, nicht ein Zeugnis oder Überrest des Kummers und der Freuden der Bewohner. Heute ist nur der heulende Wind unterwegs, wo einmal die Häuser standen (der Wind und die Geister der vier Elektriker der Siedlung, die nach der Schwingtür vom Rancho Huachipato suchen, um ihren nimmermüden Durst zu stillen); nur der Wind und die Staubwirbel schleifen das Geröll und fegen über die schroffe Ebene des Fußballfelds, wo sich, selbst heute noch, ungefähr schätzen und mit etwas Vorstellungsvermögen das Rechteck der Außenlinie erahnen lässt, der Mittelkreis und die Begrenzungen von Straf- und Torraum. Und wenn man ein bisschen Glück hat und außerdem eine Ahnung, wonach man sucht, dann kann man sogar die Stelle finden, wo einmal der Elfmeterpunkt vor dem Westtor gewesen ist. Denn auch wenn die Zeit sich nicht aufhalten lässt, die Jahre langsam und unerbittlich vergangen sind, leuchtet dieser Punkt noch immer weiß in der Wüstensonne, weil die Menschen, die an jedem ersten November zum Friedhof pilgern, ihn suchen, dort für ein Foto im Kreis von Enkeln und Urenkeln in die Hocke gehen und ihn danach mit Tränen in den Augen neu markieren, andächtig Salpeter oder Kalk darauf streuen (die Frauen ihr Puder), damit der Ort niemals vergessen werde, wo an einem Sonntag vor langer Zeit der Traumkicker mit dem weißen Ball tot zusammenbrach, und nicht die Stelle, wo der letzte Strafstoß im letzten Spiel vor dem heraufziehenden Ende der Welt getreten wurde, ein Strafstoß, von dem der unerreichte Cachimoco Farfán aus vollem Hals berichtete, sein Büchsenmikrophon mit beiden Händen umklammernd, sich verschluckend, sich von oben bis unten versabbernd, mit bis zum Platzen geschwollenen Adern am Hals schrie, plärrte, röhrte und in alle vier Winde brüllte:
Da ist er, meine Damen und Herren, liebe Patienten, da ist er, der Junge steht am Ball, die Lichtgestalt des Fußballs von Coya! Die Gemüter der Spieler haben sich beruhigt, der Traumkicker, unser Held des Tages, wurde vom Platz getragen, damit man außerhalb das behandeln kann, was zweifellos eine Hernienstrangulation ist (ich weiß, wovon ich rede, liebe Zuhörer), der Mann in Schwarz schickt sich an, den Ball freizugeben, und da steht Tuny Robledo, steht da vollkommen lässig am Leder und schaut, in welche Ecke er das Ding dreschen wird. Der gesamte Platz starrt gebannt auf seinen rechten Fuß, alle Anhänger von Coya, die hinter das Tor gelaufen sind, um den Schuss besser zu sehen und den Keeper zu nerven, halten die Daumen; los, Tuny, rufen sie, mach ihn fertig, und Tuny Robledo tritt zurück und nimmt Anlauf, nur knapp drei Schritte tritt er zurück, liebe Hörerinnen und Hörer, drei poplige Schritte; jetzt sieht der Schiedsrichter zum Torwart, sieht zum
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