Der Traumkicker - Roman
Atem. »Wenn Sie es in die Pfanne hauen, Verehrteste«, sagte er, als er der Wirtin das Ei schließlich unbeschadet zurückgab, »dann werden Sie sehen, dass der Dotter heil ist.«
Wieder am Tisch meinte er, seine größte Herausforderung wäre es, seine Tricks einmal mit einer Handgranate zu vollführen. Und weil ihm die Rothaarige wieder einfiel, fügte er winselnd hinzu:
»Für diese Frau würde ich es auf der Stelle tun, meine Guten. Und mit einer entsicherten.«
Am Ende musste Samuelito alle Mann rabiat vor die Tür setzen. Cachimoco Farfán war kurz zuvor von der älteren Frau, die ihn beherbergte, abgeholt worden (und hatte die Kneipe unter Tränen verlassen, weil ihm jemand sein Mikrophon versteckt hatte), und weil von den anderen keiner wusste, wo Expedito González hingehörte (»für Tricks am Ball ist der ja gut, Kumpel, aber vertragen tut er nichts«), verließen sie ihn am Eingang zu den Höfen, zwischen der Hintertür der Kneipe und der Blechwand eines Hühnerstalls.
Dort fand ihn Silvestre Pareto am Morgen, als er mit seinem Handkarren loszog, um Salpeter für die Linien auf dem Sportplatz zu holen. Dort auf der Erde bot der Traumkicker ein Bild des Jammers.
Nachdem der kleine Alte vergeblich versucht hatte, ihn zu wecken, entschloss er sich, es zu machen wie mitden vergifteten Hunden: Er packte ihn an Händen und Füßen und zerrte ihn auf seine Karre. Während er ihn hochwuchtete und auf der Ladefläche zurechtschob wie die geblähten Leiber der vergifteten Tölen, presste er mit einer Mischung aus Bitterkeit, Groll und Sarkasmus zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor: »Schöner Messias, verdammt … Schöner Retter der Mannschaft … Schöner Gesandter Gottes, der uns zum Sieg führen sollte … Himmel, Arsch und Zwirn!«
Er zog seine Karre durch die Höfe, damit ihn möglichst wenig Leute sahen, und brachte Expedito González ins Gewerkschaftshaus. Dort steckten er und Pata Pata ihn unter die Dusche, flößten ihm einen Becher Kaffee ein und ließen ihn weiterschlafen, denn richtig zu sich gekommen war er während der gesamten Prozedur nicht. Und wir entsannen uns seiner erst wieder, als schon Mittag vorbei war und lautes Geschrei und Gehupe von der Ankunft der Delegation aus María Elena kündete.
Was wir Frühaufsteher am Morgen außerdem mitbekamen, war, dass Cachimoco Farfán (so, wie sich die Sonne schon jetzt gebärdete) in dem dunklen Anzug, in dem er auftauchte, vor Hitze umkommen würde.
Zwar war unser Radiosprecher nie schäbig angezogen, aber an diesem Morgen erschien er besonders elegant in einem altmodischen Anzug aus schwarzem Tuch (mit einer räudigen Satinweste darunter), von dem kein Mensch wusste, wo er ihn aufgetrieben hatte, und in dem er halb feierlich, halb lachhaft wirkte. Samuelito hatte das Büchsenmikrophon unter einem Tisch gefunden und es ihm sofort zukommen lassen, und damit lief er jetzt durch die Straßen und berichtete für den Sender seines Irrsinns in einem rauschhaften Redemarathon von den Stunden vor dem Sportereignis.
Neben dem letzten Fußballspiel, das auf unserem Platz ausgetragen wurde, würde es auch die letzte Begegnung sein, die Cachimoco Farfán in seinem Leben kommentierte. Das war uns mehr als klar. Weil der Ärmste nämlich nie von einem Spiel berichten konnte (oder wollte), das nicht auf unserem Platz stattfand. Auch wenn er die Elf zu sämtlichen Begegnungen in andere Salpetersiedlungen begleitet hatte, war es auf anderen Plätzen immer gewesen, als hätte er seine Zunge verschluckt, und niemand brachte ein Wort aus ihm heraus.
Und so berichtete er also heute in seinem schwarzen Beerdigungsanzug und schwitzend wie ein Schwein den lieben langen Tag in allen Einzelheiten von dem, was vor dem Spiel und nach dem Spiel geschah (und vom Spiel selbst, versteht sich) und interviewte jedes lebende Geschöpf, das seinen Weg kreuzte, selbst Hunde und Katzen. Viele von uns sahen ihn an diesem Tag, wie er in seinem irren Ehrgeiz, alles zu erzählen, was er sah, hörte und fühlte, untröstlich zu weinen begann und gegen die Räumung der Siedlung wetterte und schrie, ihn, den besten Radioreporter der Welt, werde man nicht so einfach fortjagen, er werde nicht weggehen aus Coya Sur, und wenn die Polizei käme. »Was bilden die sich ein, diese pyogenen papillomatösen Ausflüsse vom großen Eingeweideeinlauf!«
Fest steht jedenfalls, dass die Berichterstattung zudiesem letzten Spiel für den armen Cachimoco Farfán einfach zu viel war. Als
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