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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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hätte die LP seines wirren Hirns am Ende des Tages einen Kratzer bekommen, wiederholte er noch Tage und Nächte später zwanghaft die verwickelten Symptome einer Krankheit, von der bei uns noch nie jemand gehört hatte und die wohl irgendwie »Ahornsirupkrankheit« hieß.
    Der Bus mit der Elf aus María Elena traf ein und in seinem Gefolge ein langer Konvoi aus Fahrzeugen, vollbesetzt mit Schlachtenbummlern, die Fahnen schwenkten und Parolen brüllten. Zählt man noch die vielen dazu, die zu Fuß durch die Wüste kamen, kann man sagen, dass wir nie zuvor eine solche Invasion von Staubfressern bei uns erlebt hatten.
    Wie vereinbart, kümmerte sich das Unternehmen um die Unparteiischen, die erst Minuten vor dem Anpfiff aus der Siedlung Pedro de Valdivia eintrafen. Wer den Schiedsrichter, einen gewissen Fernando Mery, kannte, sagte, er sei ein Schnösel mit weißem Haar und großspurigem Gehabe und zelebriere seine Entscheidungen derart pompös, dass sogar sein Pfeifen affektiert klinge.
    Nach dem Begrüßungsimbiss im Rancho Grande fiel der Siedlungsleitung ein, man könne ja eine Parade durch die Straßen abhalten, ehe es hinaus auf den Sportplatz ging. Eine muntere Parade, der sich neben den beiden Mannschaften mit ihren Betreuern und Leitern anschließen konnte, wer wollte. Um der großen Zahl von Anhängern aus María Elena etwas entgegenzusetzen, riefen wir umgehend alles, was Beine hatte, zusammen.Und im Nu traten in ihren jeweiligen Uniformen und Kostümen die Pfadfinder an, die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, die Frauen aus den Mütterzentren und die Tanzgruppen der Bruderschaften der heiligen Jungfrau von Tirana in ihren schönen knallbunten Kleidern. Eine Sache für sich waren die Frauen aus dem weiblichen Fanblock: Angeführt von der verrückten Maluenda, traten sie alle in gelben Blusen und weißen Miniröcken auf, sangen, kreischten und schwenkten ihre Puscheln aus Seidenpapier. Kurz vor vier setzte sich die Parade mit der Blaskapelle der örtlichen Grundschule an der Spitze in der Calle Balmaceda in Bewegung, gefolgt von einer riesigen Menschenmenge.
    Die Gastmannschaft war mit sämtlichen Stammspielern angereist und hatte obendrein sechs Ersatzspieler dabei. Man musste sie nur ansehen, vor allem ihren Trainer, und wusste, ihre Absichten waren keineswegs lauter. Jedem Einzelnen stand die pure Mordlust ins Gesicht geschrieben. Oder um ein in die Zeit passendes Bild zu wählen: Die Typen waren gekommen, um zu töten, zu sengen, uns über die Klinge springen zu lassen und uns mit aufgepflanztem Bajonett den Rest zu geben. Alles, was den Ärschen fehlte, war die Kampfmontur.
    Die tödlichsten Blicke erntete unser Traumkicker, den wir mit Hilfe von Kaffee hatten reanimieren und fast wie einen Hingeschiedenen hatten ankleiden müssen. »Die Staubfresser müssen ihn bei der Parade sehen«, knurrte Don Agapito Sánchez, legte ihm den überdimensionierten Hoden im Schützer zurecht und zog ihm die Fußballhose darüber. Und dass wir sie auf dem Platz glauben machen müssten, wir benutzten ihn als Joker und er könne jeden Moment ins Spiel kommen.
    Nachdem wir ein letztes Mal zu den Klängen von Die alten Standarten unsere staubigen Straßen abgelaufen waren, zogen wir hinaus zum Sportplatz. War die halbe Siedlung bei der bewegenden Parade gewesen, so erwartete uns die andere Hälfte ungeduldig auf dem Platz. So weit wir zurückdenken konnten, hatten sich nicht solche Publikumsmassen um unser Spielfeld gedrängt. Neben den Anhängern aus María Elena, den Ex-Bewohnern von Coya, die zum Spiel geblieben waren, und den Leuten, die aus umliegenden Salpetersiedlungen vorbeigekommen waren, sah man an diesem Tag dort Leute, die noch nie in ihrem Leben bei einem Fußballspiel gewesen waren. Selbst die Verkörperungen der sieben Todsünden waren heute hier. Abgesehen vom bolivianischen Gringo natürlich, dessen Hochmut, der größer und bedauernswerter war als der gebrochene Hoden des Traumkickers, es ihm verwehrte, sich unters gemeine Volk zu mischen.
    Einige der älteren Matronen aus der Siedlung hatten ihre liebsten Sitzgelegenheiten und ihre japanischen Sonnenschirme mitgebracht und säumten das Spielfeld wie zu einer idyllischen Landpartie. Und mehr als eine Familie hatte sich sogar vollzählig auf großen, ausladenden Polstersofas versammelt, als posierten sie für ein Foto, das es wert gewesen wäre, für die Nachwelt bewahrt zu werden, das aber leider niemand machte. Etliche Kranke hatten sich von ihren

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