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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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Medellín stattfand.
    Die Abflugzeit des Virgin-Flugs, den ich ursprünglich gebucht hatte, war dreizehn Uhr zehn gewesen, ich hätte zweimal umsteigen müssen, in Heathrow und JFK, und wäre um dreizehn Uhr sechsunddreißig in Medellín angekommen. Wir waren um fünfzehn Uhr verabredet. Als ich irgendwann nicht mehr der Aufzugkabine nachblickte, in der ich Chris Raubal gesehen hatte, buchte ich den Flug um.
    Ich hatte Glück, ich erwischte den letzten freien Platz in einem Air-France-Flug, der um achtzehn Uhr fünfunddreißig abging, ich stieg in Charles de Gaulle um und dann noch einmal in Bogotá. Sofort schrieb ich Greta eine SMS mit dem veränderten Ankunftstermin um siebzehn Uhr fünf. Ich dachte mir nichts dabei, als ich keine Antwort erhielt. Nach dem Stattgehabten wäre mir das eher als Kommunikationsexzess erschienen.
    Es hatte kein Glück bedeutet, noch am selben Tag den nächsten Flug zu ergattern. Wenn ich die Reise um ein paar Tage verschoben hätte, dann hätte ich ihr keine SMS, sondern eine E-Mail geschrieben, die wäre bestimmt angekommen. Ich erhielt Gretas SMS mit den Großbuchstaben auf dem Flughafen in Bogotá, ich betrachtete sie als Gesprächsvorbereitung. Auf den Gedanken, dass sie meine SMS nicht erhalten hatte, kam ich nicht.
    Warum habe ich dann daran gedacht, wieder eine Expedition ins Universum zu unternehmen? Zum Sternbild Centaurus. In einer Entfernung von zwei Komma fünf Milliarden Lichtjahren streben Millionen über den ganzen Himmel verteilter Galaxien mit siebenhundert bis tausend Kilometern pro Sekunde in diese Richtung. Ferne Galaxienhaufen müssten sich eigentlich langsamer und vor allem uneinheitlich bewegen. Was zieht die Galaxien an? Die Quelle der Schwerkraft muss sich jenseits des Ereignishorizonts befinden, der gut fünfundvierzig Milliarden Lichtjahre entfernt ist. Im beobachtbaren All gibt es keine solche gigantische Materieansammlung, nach dem Standardmodell darf sie auch nicht entstanden sein. Die Inflation, die überlichtschnelle Ausdehnung des Weltraums in den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall, hat das beobachtbare Universum geglättet und flach gemacht.
    Ist das Universum doch nicht gleichförmig? Möglicherweise war das sehr frühe Universum extrem ungleichförmig, und etliche seiner Polaritäten konnten nicht von der Inflation ausgebügelt werden. Ist die Milchstraße mitsamt ihrem Umkreis untypisch, eine Region unterdurchschnittlicher Materiedichte, befinden wir uns in einer großen Höhle des Alls? Die Gravitationskonstante könnte sich im Zeitablauf ändern, oder die Schwerkraft nimmt nicht umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstands ab, sondern stärker. Dadurch würde die Annahme einer dunklen Materie überflüssig. Die dunkle Strömung könnte auch auf den Einfluss anderer Universen zurückgehen. Sind sie genau wie unseres aus einem Quantenvakuum hervorgegangen, dann bleiben die anderen Universen durch quantenphysikalische Verschränkungen mit unserem verbunden.
    Die Milchstraße, unser Nachbar, der Andromedanebel, und etwa drei Dutzend benachbarte Zwerggalaxien bewegen sich mit sechshundert Kilometern pro Sekunde gegenüber der kosmischen Hintergrundstrahlung. Wir steuern in Richtung eines knapp zweihundert Millionen Lichtjahre entfernten Galaxiensuperhaufens, der deswegen großer Attraktor heißt, sowie eines versetzt dahinterliegenden, noch massereicheren Superhaufens, Shapley Supercluster, der sechshundertfünfzig Millionen Lichtjahre von uns entfernt ist. Alle Galaxien im Umkreis von etwa fünfhundert Millionen Lichtjahren bewegen sich mit etwa vierhundert Kilometern pro Sekunde zum Sternbild Vela neben Centaurus. Wir zielen also ungefähr in dieselbe Richtung wie der dunkle Fluss, nur etwa halb so schnell.
    Selbst wenn uns das All in großem Maßstab gleichförmig erscheint wie ein Ozean, der sich gelassen von Horizont zu Horizont erstreckt, die dunkle Strömung zeigt, dass der Eindruck täuscht. Man schwimmt im scheinbar ruhigen Meer und entdeckt irgendwann, dass man abtreibt.

    Eine stechende Sonne brach durch, um mir Greta zu zeigen.
    Als ich sie in der Kabine des Krans neben dem Fünfzig-Meter-Becken sah, sagte ich laut zu mir selbst: »Ich klatsche drei Mal in die Hände, und Greta ist nicht mehr auf dem Kran, sondern auf der Tribüne.«
    Ich führte die Hände zusammen, als ob ich klatschte. Aber ich machte kein Geräusch.
    Ich atmete nicht mehr.
    Als Greta mich sah, rief sie mich an.
    Warum ich ihr nicht Bescheid gegeben hätte,

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