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Der Überlebende: Roman (German Edition)

Der Überlebende: Roman (German Edition)

Titel: Der Überlebende: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst-Wilhelm Händler
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mich so stark konzentrieren, dass ich einmal nicht mehr wusste, wo ich war. Ich sah nicht gut in diesen Tagen. Dem Ministerpräsidenten erklärte ich nicht die Maschine, vor der wir standen, sondern eine andere, keiner merkte es.
    Wegen des unerträglichen Echos in den Werkshallen hatte ich die eigentliche Feier draußen angesetzt, auf dem kurzgeschnittenen Rasen vor dem Bürogebäude waren zweihundertfünfzig Holzklappstühle aufgestellt. Nach dem kurzen und heftigen Regenguss war alles schnell wiederhergerichtet, wir mussten nicht in die kahle Lagerhalle für die zukünftigen Endprodukte umziehen. Nur eine Minderheit der Gäste kam in den Genuss des Schattens der alten Eichenbäume, die Mehrheit musste in der Sonne schmoren. Der Bereich vor dem Bürogebäude ist Vorratsfläche, das Rednerpult war vor einem Raster von großen Stromverteilerkästen aufgestellt, die unversehens an Grabsteine gemahnten.
    In ihren Reden wetteiferten der Ministerpräsident, der Oberbürgermeister und der Marketingvorstand um den meisten Beifall, als ob es sich um eine Castingshow handelte. Der Vorstandsvorsitzende von D’Wolf war nicht gekommen. Wer steckte hinter der gigantischen Planung, die wir ausführten?
    Als Hausherr fiel mir die Aufgabe zu, die Redner vorzustellen. Auf dem Weg zum Rednerpult und zurück ging ich jedes Mal an Sondra vorbei. Ihre türkisfarbene Seidenbluse mit dem Schalkragen changierte in der Sonne, die anderen Frauen trugen ausnahmslos gedeckte Farben. Es war kein Zufall, dass Peter neben ihr saß, später erzählte mir eine Teamassistentin, Sondra habe sich bei ihr nach Peter erkundigt und darum gebeten, dass sie einander vorgestellt würden. Sondra hatte die blondgefärbten, vorn zu einem Pony geschnittenen Haare zurückgebunden und die Augen stark schwarz geschminkt. Peter hörte den Reden überhaupt nicht zu und hatte keine Augen für seine übersüße Nachbarin. Später bekam ich jedoch mit, wie sie sich angeregt unterhielten.
    Der Marketingvorstand hatte als Vertriebsbeauftragter für Zählerschränke angefangen, niemand hat je in einem Geschäftsjahr mehr Zählerschränke an den Großhandel verkauft als er. Jeden Monat schickte er seinen Kunden einen Kartengruß, in dem er zum Ausdruck brachte, wie sehr er sie schätzte. Wenn ein Abnehmer eine umfangreichere Bestellung platzierte, erklärte er ihm, dass er ihn mochte. Kam eine Großorder zustande, schrieb er dem Kunden: Ich liebe Sie . Der Marketingvorstand brüstete sich, er habe den Kunden einen unschlagbaren Service geboten. Gab es eine Reklamation, dann war der technische Support binnen Stunden oder sogar Minuten vor Ort. Alle zwei Wochen lud er die Mitarbeiter des technischen Supports zum Essen ein, um ihnen zu sagen, wie sehr er sie schätzte, ja sogar liebte. Einmal im Jahr veranstaltete er für die Mitarbeiter und ihre Familien einen großen Grillabend bei sich zu Hause.
    D’Wolf sei so erfolgreich, weil D’Wolf seine Kunden liebe, behauptete der Marketingvorstand. Der Ministerpräsident hörte aufmerksam zu, sein Assistent schrieb eifrig mit, danach überlegten sie wohl, ihren potentiellen Wählern ebenfalls Liebeserklärungen zu machen. Es war unerträglich! Mit den Streifen seines Anzugs schraffierte ich den Marketingvorstand weg, seine schwarze Haartolle, seine breiten Schultern, seine gestikulierenden Hände. Gegen seine Stimme konnte ich nichts machen.
    Nicht ein Redner deutete den Kraftakt an, den der Bau und die Fertigstellung des Werks erfordert hatten. Die Landschaft hatte dagegengesetzt, indem sie die Gründung immens erschwerte, wer weiß schon, dass sich Leipzig aus einem Sumpfboden erhebt, dass der Hauptbahnhof auf Holzpfählen steht. Die Baugenehmigung wurde unter Auflagen erteilt, die sich alle paar Tage kalamitös änderten. Die riesige Baustelle in Schlamm und Schutt hatte gedacht, sie brauche sich nur einmal aufzubäumen und könne uns so glauben machen, dass wir sie in alle Ewigkeit würden bändigen und aushalten müssen. Wir hielten noch den Atem an vor Anstrengung und bebten leicht, die Anspannung war unverkennbar. Es war doch gutgegangen! Wer hatte hier wen mit seinen Ängsten angesteckt, das Konzept die Ingenieure oder die Ingenieure das Konzept? Jetzt war kein Gedanke mehr an vorweltlichen träumerischen Schlamm, an renitenten Matsch. Beton, Metallpaneele, Glas und Asphalt bildeten eine verschließende, versiegelnde Oberfläche.
    Keine Maschine war einfach eine Maschine. Keine Anlage war einfach eine Anlage. Alles in

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