Der unmoegliche Mensch
Geist. Durch ihre Struktur dienen die einzelnen Teile des Körpers einem größeren physiologischen Ganzen, und das menschliche Bewußtsein ist groß genug, um das Gefühl der Einheit beliebig weit zu fassen.
Nun, das hat nie jemand ernsthaft in Zweifel gezogen, und vor fünfzig Jahren spendeten eine Reihe von mutigen Männern und Frauen, viele von ihnen Ärzte, ihre gesunden Organe für andere, die sie brauchten. Traurigerweise gingen all diese Bemühungen nach einigen Wochen fehl, als Folge der sogenannten Abwehrreaktion. Der Wirtskörper wehrte sich gegen das eingepflanzte Organ wie gegen einen feindlichen Organismus, obwohl er selbst im Sterben lag.«
Conrad schüttelte den Kopf. »Ich dachte, man hat dieses Abwehrproblem gelöst.«
»Nach einiger Zeit, ja – es war mehr eine Frage der Biochemie als ein Fehler in der chirurgischen Technik. Schließlich wurde der Weg frei, und jedes Jahr wurden Zehntausende von Leben gerettet – Menschen mit bösen Erkrankungen der Leber, der Nieren, der Verdauungsorgane erhielten neue Organe, ja sogar Teile des Herzens und des Nervensystems wurden verpflanzt. Das Hauptproblem war ihre Beschaffung – man ist vielleicht bereit, eine Niere zu spenden, aber man kann nicht die Leber oder die Mitralklappe des Herzens hergeben. Zum Glück waren viele Leute bereit, ihre Organe nach dem Tod zur Verfügung zu stellen – jetzt ist es tatsächlich eine Bedingung für die Aufnahme in ein öffentliches Krankenhaus, daß im Falle des Todes jeder beliebige Teil des Körpers für Zwecke der restaurativen Chirurgie verwendet werden darf. Anfänglich wurden nur die Organe aus Brustkorb und Bauchhöhle in die Organbanken aufgenommen, aber heute haben wir praktisch alle Teile des menschlichen Körpers vorrätig, so daß der Chirurg jederzeit vorfindet, was er braucht, sei es eine komplette Lunge oder ein paar Quadratzentimeter eines ganz speziellen Epithels.«
Als Dr. Knight sich zurücklehnte, zeigte Conrad auf das Krankenzimmer um sich herum und fragte: »Dieses Krankenhaus – ist das hier, wo man so etwas macht?«
»Genau, Conrad. Dies ist eines der Hunderte von Instituten, die wir heute für die restaurative Chirurgie zur Verfügung haben. Wie Sie verstehen werden, sind nur ein kleiner Prozentsatz unserer Patienten Fälle wie Ihrer. Am meisten wird die restaurative Chirurgie in der Geriatrie angewandt, das heißt, zur Verlängerung des Lebens von alten Menschen.«
Dr. Knight nickte nachdenklich, als Conrad sich aufsetzte. »Nun werden Sie verstehen, Conrad, warum es in Ihrer Umwelt immer so viele alte Leute gab. Das hat einen einfachen Grund – mit Hilfe der restaurativen Chirurgie können wir Menschen, die normalerweise in den Sechzigern oder Siebzigern sterben würden, ein zweites Leben geben. Die Lebenserwartung ist von fünfundsechzig vor etwa fünfzig Jahren auf fast fünfundneunzig gestiegen.«
»Doktor… der Fahrer des Wagens. Ich kenne seinen Namen nicht. Sie sagten, er könnte mir immer noch helfen.«
»Ich meine es so, wie ich es sagte, Conrad. Eins der Probleme der restaurativen Chirurgie ist die Beschaffung von Austauschorganen. Im Fall von alten Menschen ist es einfach, da herrscht eher ein Überangebot an Austauschmaterial. Abgesehen von einigen allgemeinen Verfallserscheinungen handelt es sich bei den meisten alten Menschen um ein Versagen von vielleicht nicht mehr als einem Organ, und ein Todesfall liefert Reserven, die zwanzig andere Menschen für ebenso viele Jahre am Leben erhalten. Aber bei jungen Menschen, besonders in Ihrer Altersgruppe, übertrifft der Bedarf das Angebot um das Hundertfache. Sagen Sie mir, Conrad, den Fahrer des Wagens einmal ganz außer acht gelassen, wie denken Sie im Prinzip über die restaurative Chirurgie?«
Conrad sah auf seine Bettdecke. Trotz des Bügels war die Asymmetrie seiner Gliedmaßen nicht zu übersehen. »Es ist schwer zu sagen. Ich nehme an, ich…«
»Sie haben die Wahl, Conrad. Entweder Sie tragen eine Prothese – eine Metallstütze, die Ihnen Ihr Leben lang unbequem sein wird und Sie beim Laufen und Schwimmen behindert, bei allen normalen Bewegungen eines jungen Mannes – oder Sie bekommen ein Bein aus Fleisch und Blut und Knochen.«
Conrad zögerte. Alles was Dr. Knight gesagt hatte, stimmte mit dem überein, was er im Laufe der Jahre über die restaurative Chirurgie gehört hatte – das Thema war nicht tabu, aber es wurde selten darüber gesprochen, besonders in Gegenwart von Kindern. Und
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