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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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stellte ihm sein Haus zur Verfügung, er mietete ihm auch das Reitpferd, das der Künstler brauchte, um seine Kräfte spielen zu lassen — und welche Aussichten, als der berühmte Gast die ersten Zeichenversuche des kleinen Horst vielversprechend nannte! Diederich bestimmte stehenden Fußes Horst der Kunst, dieser so zeitgemäßen Laufbahn.
    Wulckow, der keinen Sinn für die Kunst hatte und sich mit dem Günstling Seiner Majestät nicht zu stellen wußte, bekam vom Denkmalskomitee die Ehrengabe von zweitausend Mark, auf die er als Ehrenvorsitzender das Recht hatte; die bei der Enthüllung zu haltende Festrede aber übertrug das Komitee seinem ordentlichen Vorsitzenden, dem geistigen Schöpfer des Denkmals und Begründer der nationalen Bewegung, die zu seiner Errichtung geführt hatte, Herrn Stadtverordneten Generaldirektor Doktor Heßling, bravo! Diederich, bewegt und geschwellt, sah sich am Fuße neuer Erhöhungen. Der Oberpräsident selbst ward erwartet, vor der hohen Exzellenz sollte Diederich reden, welche Folgen versprach das! Wulckow freilich schickte sich an, sie zu hintertreiben; gereizt, weil ausgeschaltet, weigerte er sich sogar, auf der Tribüne der offiziellen Damen auch Guste zuzulassen. Diederich hatte dieserhalb mit ihm einen Auftritt, der erregt verlief, aber ohne Ergebnis blieb. Heftig schnaufend kehrte er zu Guste heim. »Es bleibt dabei, du sollst keine offizielle Dame sein. Man wird ja sehn, wer offizieller ist, du oder er! Er soll dich noch bitten! Ich hab ihn Gott sei Dank nicht mehr nötig, aber er vielleicht mich.« — Und so kam es, denn als das nächste Heft der »Woche« erschien, was brachte es, außer den gewohnten Kaiserbildern? Zwei Porträtaufnahmen, die eine den Schöpfer des Netziger Kaiser-Wilhelm-Denkmals darstellend, wie er gerade an seinem Werk den letzten Hammerschlag tat, die andere aber den Vorsitzenden des Komitees und seine Gattin, Diederich samt Guste. Von Wulckow nichts — was allgemein bemerkt und als Zeichen angesehen ward, daß seine Stellung erschüttert sei. Er selbst mußte es fühlen, denn er tat Schritte, um doch noch in die »Woche« zu kommen. Er suchte Diederich auf, aber Diederich ließ sich verleugnen. Der Künstler seinerseits brauchte Ausflüchte. Da geschah es tatsächlich, daß Wulckow auf der Straße an Guste herantrat. Die Geschichte mit dem Platz bei den offiziellen Damen sei ein Mißverständnis... »Schön hat er gemacht wie unser Manne«, berichtete Guste. »Aber nun gerade nicht!« entschied Diederich, und er nahm keinen Anstand, die Geschichte umherzuerzählen. »Soll man sich Zwang antun«, sagte er zu Wolfgang Buck, »wo der Mann doch geliefert ist. Herr Oberst von Haffke gibt ihn auch schon auf.« Kühn setzte er hinzu: »Jetzt sieht er, es gibt noch andere Mächte. Wulckow hat es zu seinem Schaden nicht verstanden, sich beizeiten den modernen Lebensbedingungen einer großzügigen Öffentlichkeit anzupassen, die dem heutigen Kurs ihren Stempel aufdrücken.« — »Absolutismus, gemildert durch Reklamesucht«, ergänzte Buck.
    Angesichts des Wulckowschen Niederganges fand Diederich jenen Grundstückshandel, der ihn selbst so sehr benachteiligt hatte, immer anstößiger. Seine Entrüstung nahm einen solchen Umfang an, daß der Besuch, den gerade jetzt der Reichstagsabgeordnete Fischer in Netzig machte, für Diederich zur wahrhaft befreienden Gelegenheit ward. Parlamentarismus und Immunität hatten doch ihr Gutes! Denn Napoleon Fischer stellte sich umgehend im Reichstag hin und enthüllte. Er enthüllte, ohne daß ihm das geringste geschehen konnte, die Schiebungen des Regierungspräsidenten von Wulckow in Netzig, seinen Riesengewinn am Grundstück des Kaiser-Wilhelm-Denkmals, der nach Napoleon Fischers Behauptung von der Stadt erpreßt war, und das Ehrengeschenk von angeblich fünftausend Mark, dem er den Titel »Schmiergeld« gab. Der Zeitung zufolge bemächtigte sich hier der Volksvertreter ungeheure Erregung. Freilich galt sie nicht Wulckow, sondern dem Enthüller. Wütend verlangte man Beweise und Zeugen; Diederich zitterte, in der nächsten Zeile konnte sein Name kommen. Zum Glück kam er nicht, Napoleon Fischer blieb sich der Pflicht seines Amtes bewußt. Statt dessen redete der Minister, er überließ den unerhörten, leider unter dem Schutze der Immunität begangenen Angriff auf einen Abwesenden, der sich nicht verteidigen konnte, dem Urteil des Hauses. Das Haus urteilte, indem es dem Herrn Minister Beifall klatschte. Parlamentarisch

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