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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Geländes auf Pastor Zillich in seinem Talar; auch die Fahnenkompagnie fand sich ein, und man gab unter dem Vortritt Zillichs dem alten Alliierten die Ehre. Auf der Ziviltribüne ward das Publikum von den Beamten gehalten, sich zu erheben, die Herren Offiziere taten es von selbst. Überdies stimmte die Kapelle »Ein feste Burg« an. Zillich schien trotzdem noch irgend etwas vorzuhaben, aber der Oberpräsident, offenbar in der Annahme, daß der alte Alliierte nun genug habe, ließ sich, gelblichen Gesichts, auf seinen Sessel nieder, rechts von ihm der blühende Flügeladjutant, links die Divisionsgenerale. Als die ganze Versammlung im offiziellen Zelt nach den ihr innewohnenden Gesetzen gruppiert war, sah man den Regierungspräsidenten von Wulckow einen Wink erteilen, infolgedessen ein Schutzmann sich in Bewegung setzte. Er begab sich zu seinem Kollegen, der das Rednerpodium bewachte, worauf dieser das Wort an Diederich richtete: »Na, nu kommse man ran«, sagte der Schutzmann.
    Diederich gab acht, daß er beim Hinaufsteigen nicht stolperte, denn die Beine waren ihm plötzlich weich geworden, auch sah er verschwommen. Nach einigem Schnaufen unterschied er im kahlen Umkreis ein Bäumchen, das keine Blätter hatte, aber mit schwarz-weiß-roten Blüten aus Papier übersät war. Der Anblick des Bäumchens gab ihm Gedächtnis und Kraft zurück; er begann:
    »Eure Exzellenzen! Höchste, hohe und geehrte Herren!
    Hundert Jahre sind es, daß der große Kaiser, dessen Denkmal der Enthüllung harrt durch den Vertreter Seiner Majestät, uns und dem Vaterlande geschenkt ward; gleichzeitig aber, das macht diese Stunde noch bedeutsamer, ist fast ein Jahrzehnt vergangen, seit sein großer Enkel den Thron bestiegen hat! Wie sollten wir da nicht vor allem auf die große Zeit, die wir selbst miterleben durften, einen stolzen und dankbaren Rückblick werfen.«
    Diederich warf ihn. Er feierte abwechselnd den beispiellosen Aufschwung der Wirtschaft und des nationalen Gedankens. Längere Zeit verweilte er beim Ozean. »Der Ozean ist unentbehrlich für Deutschlands Größe. Der Ozean beweist uns, daß auf ihm und jenseits von ihm ohne Deutschland und ohne den Deutschen Kaiser keine Entscheidung mehr fallen darf, denn das Weltgeschäft ist heute das Hauptgeschäft!« Aber nicht nur vom geschäftlichen Standpunkt, noch mehr geistig und sittlich war der Aufschwung ein beispielloser zu nennen. Wie sah es denn früher aus mit uns? Diederich entwarf ein wenig schmeichelhaftes Bild des älteren Geschlechts, das durch eine einseitige humanitäre Bildung zu zuchtlosen Anschauungen verführt, in nationaler Hinsicht noch keinen Komment gehabt hatte. Wenn das jetzt gründlich anders geworden war, wenn wir, im berechtigten Selbstgefühl, das tüchtigste Volk Europas und der Welt zu sein, von Nörglern und Elenden abgesehen, nur noch eine einzige nationale Partei bildeten, wem verdankten wir es? Allein Seiner Majestät, antwortete Diederich. »Er hat den Bürger aus dem Schlummer gerüttelt, sein erhabenes Beispiel hat uns zu dem gemacht, was wir sind!« — wobei Diederich sich auf die Brust schlug. »Seine Persönlichkeit, seine einzige, unvergleichliche Persönlichkeit ist stark genug, daß wir allesamt uns efeuartig an ihr emporranken dürfen!« rief er aus, obwohl es nicht in seinem Entwurf stand. »Was Seine Majestät der Kaiser zum Wohl des deutschen Volkes beschließt, dabei wollen wir ihm jubelnd behilflich sein, ob wir nun edel sind oder unfrei. Auch der einfache Mann aus der Werkstatt ist willkommen!« fügte er wieder aus dem Stegreif hinzu, jäh inspiriert durch den Geruch des schwitzenden Volkes hinter dem Militärkordon; denn der Wind, der aufkam, trug ihn her.
    »In staunender Weise ertüchtigt, voll hoher sittlicher Kraft zu positiver Betätigung, und in unserer furchtbaren Wehr der Schrecken aller Feinde, die uns neidisch umdrohen, so sind wir die Elite unter den Nationen und bezeichnen eine zum ersten Male erreichte Höhe germanischer Herrenkultur, die bestimmt niemals und von niemandem, er sei wer er sei, wird überboten werden können!«
    Hier sah man den Oberpräsidenten mit dem Kopf nicken, indes der Flügeladjutant die Hände gegeneinander bewegte: da brachen die Tribünen in Beifall aus. Bei den Zivilisten wehten Taschentücher, Guste ließ es im Wind flattern und, trotz der Unstimmigkeit von vorhin, auch Käthchen Zillich. Diederich, im Herzen leicht wie die wehenden Taschentücher, nahm seinen hohen Flug wieder auf.
    »Eine

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