Der Untertan
haben Sie sie denn? Sie soll doch Geld kosten?« Und dies war auch wieder richtig. Denn nach seiner ersten kurzen Genugtuung, Käthchen auf diesem Wege doch noch erworben zu haben, betrachtete Diederich sie nachgerade nur mehr als einen Posten, einen stattlichen Posten, auf seinem Reklamekonto. »Meine Stellung«, sagte er zu Jadassohn, »erfordert eine großzügige Repräsentation. Sonst würde ich, offen gestanden, das ganze Geschäft fallenlassen, denn unter uns, Käthchen bietet nicht genug.« Hier lächelte Jadassohn beredsam, sagte aber nichts. »Überhaupt«, fuhr Diederich fort, »ist sie dasselbe Genre wie meine Frau, und meine Frau« — er hielt die Hand vor — »ist leistungsfähiger. Sehen Sie, gegen sein Gemüt kann man nichts machen, nach jedem Abstecher in die Villa von Brietzen kommt es mir vor, als ob ich meiner Frau etwas schulde. Lachen Sie nur, tatsächlich schenke ich ihr dann immer was. Wenn es ihr nur nicht auffällt!« Jadassohn lachte mit noch mehr Grund, als Diederich meinte; denn er hatte es schon längst für seine sittliche Pflicht gehalten, Frau Generaldirektor Heßling aufzuklären über diese Zusammenhänge.
Im Politischen ergab sich für Diederich und Jadassohn ein ähnlich ersprießliches Zusammenwirken wie bei Käthchen; denn gemeinsam beeiferten sie sich, die Stadt von Schlechtgesinnten zu reinigen, besonders von solchen, die die Pest der Majestätsbeleidigungen weiterverbreiteten. Diederich mit seinen vielfachen Beziehungen machte sie ausfindig, worauf Jadassohn sie ans Messer lieferte. Nach dem Erscheinen des »Sanges an Ägir« gestaltete sich ihre Tätigkeit besonders fruchtbar. In Diederichs eigenem Hause nannte die Klavierlehrerin, die mit Guste übte, den »Sang an Ägir« einen —! In das, was sie gesagt hatte, flog sie selbst... Wolfgang Buck sogar, der neuerdings wieder in Netzig weilte, erklärte die Verurteilung für durchaus angemessen, denn sie befriedigte das monarchische Gefühl. »Einen Freispruch hätte das Volk nicht verstanden«, sagte er am Stammtisch. »Die Monarchie ist unter den politischen Regimen eben das, was in der Liebe die strengen und energischen Damen sind. Wer dementsprechend veranlagt ist, verlangt, daß etwas geschieht, und mit Milde ist ihm nicht gedient.« Hier errötete Diederich... Leider bekundete Buck solche Gesinnungen nur, solange er nüchtern war. Späterhin gab er durch seine von früher her sattsam bekannte Art, die heiligsten Güter in den Schmutz zu ziehen, Gelegenheit genug, ihn aus jeder anständigen Gesellschaft auszuschließen. Diederich war es, der ihn vor diesem Schicksal bewahrte. Er verteidigte seinen Freund. »Die Herren müssen bedenken, er ist erblich belastet, denn die Familie weist Anzeichen einer schon ziemlich weit vorgeschrittenen Degeneration auf. Andererseits spricht es für einen gesunden Kern in ihm, daß das Schauspielerdasein ihn denn doch nicht befriedigt hat und daß er zu seinem Beruf als Rechtsanwalt zurückgefunden hat.« Man erwiderte, es sei verdächtig, wenn Buck sich über seine fast dreijährigen Erfahrungen beim Theater so völlig ausschweige. War er überhaupt noch satisfaktionsfähig? Diese Frage konnte Diederich nicht beantworten; es war ein logisch nicht begründeter, aber tiefsitzender Drang, der ihn dem Sohn des alten Buck immer wieder näherte. Immer wieder nahm er mit Eifer eine Unterredung auf, die doch jedesmal schroff abbrach, nachdem sie die schärfsten Gegensätze bloßgelegt hatte. Er führte Buck sogar in sein Heim ein, erlebte dabei aber eine Überraschung. Denn wenn Buck anfangs wohl nur einem besonders guten Kognak zuliebe kam, bald kam er sichtlich wegen Emmi. Die beiden verstanden sich, über Diederich hinweg und in einer Art, die ihn befremdete. Sie führten spitze und scharfe Gespräche, anscheinend ohne das Gemüt oder die anderen Faktoren, die der Verkehr der Geschlechter normalerweise in Betrieb setzte; und senkten sie die Stimmen und wurden vertraulich, fand Diederich sie vollends unheimlich. Er hatte nur die Wahl, ob er dazwischenfahren und korrekte Verhältnisse herstellen oder aber das Zimmer verlassen wollte. Zu seinem eigenen Erstaunen entschied er sich für das letztere. ›Sie haben beide sozusagen ihre Schicksale gehabt, wenn die Schicksale auch danach waren‹, sagte er sich mit der Überlegenheit, die ihm zukam, und ohne viel darauf zu achten, daß er im Grunde stolz war auf Emmi, stolz, weil Emmi, seine eigene Schwester, fein genug, besonders genug, ja
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