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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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die Arbeiter nun nicht mit Dicktun in Reden zu reizen. Der junge Mann (so nannte Herr Göppel den Kaiser!) redet uns noch die Revolution an den Hals... Diederich sah sich veranlaßt, im Namen der Jugend, die fest und treu zu ihrem herrlichen jungen Kaiser stehe, solche Nörgeleien auf das schärfste zurückzuweisen. Seine Majestät hatten es selbst gesagt: »Diejenigen, welche mir behilflich sein wollen, herzlich willkommen. Die sich mir entgegenstellen, zerschmettere ich.« Dabei versuchte Diederich zu blitzen. Herr Göppel erklärte, er warte es ab.
    »In dieser harten Zeit«, fügte Diederich hinzu, »muß jeder seinen Mann stehen.« Und er setzte sich in Positur vor Agnes, die ihn bewunderte.
    »Wieso, harte Zeit?« sagte Herr Göppel. »Sie ist doch nur hart, wenn wir uns gegenseitig das Leben schwermachen. Ich hab mich mit meinen Arbeitern noch immer vertragen.«
    Diederich zeigte sich entschlossen, daheim in seinem Betrieb eine ganz andere Zucht einzuführen. Sozialdemokraten wurden nicht mehr geduldet, und sonntags gingen die Leute zur Kirche! — Das auch noch? meinte Herr Göppel. Das könne er von seinen Leuten nicht verlangen, wenn er selbst doch bloß am Karfreitag gehe. »Soll ich sie beschwindeln? Christentum ist gut; aber was der Pastor alles redet, glaubt doch kein Mensch mehr.« Da sah man Diederichs Miene hochüberlegen werden.
    »Mein lieber Herr Göppel, ich kann Ihnen nur sagen: Was die Herren da oben und besonders mein verehrter Freund, der Assessor von Barnim, zu glauben für richtig halten, das glaub ich auch — unbesehen. Das kann ich Ihnen nur sagen.«
    Der Schwager, der Beamter war, schlug sich plötzlich auf Diederichs Seite. Herr Göppel hatte schon einen roten Kopf, Agnes trat mit dem Kaffee dazwischen. »Na, schmecken Ihnen meine Zigarren?« Herr Göppel klopfte Diederich aufs Knie. »Sehen Sie wohl, im Menschlichen sind wir einig.«
    Diederich dachte: ›Da ich sozusagen zur Familie gehöre.‹
    Er ließ von seiner strammen Haltung einiges nach, es ward noch sehr gemütlich. Herr Göppel wollte wissen, wann Diederich »fertig« werde und Doktor sei, er begriff nicht, daß eine chemische Arbeit zwei Jahre und länger brauche. Diederich verbreitete sich, in Ausdrücken, die niemand verstand, über die Schwierigkeiten, zu einer Lösung zu gelangen. Er hatte die Empfindung, Herr Göppel warte zu einem bestimmten Zweck auf seine Promovierung. Auch Agnes schien es zu fühlen, denn sie griff ein und lenkte das Gespräch ab. Als Diederich sich verabschiedet hatte, ging sie mit hinaus und flüsterte ihm zu: »Morgen um drei bei dir.«
    Vor jäher Freude griff er nach ihr und küßte sie, zwischen den Türen, während gleich daneben das Mädchen mit dem Geschirr rasselte. Sie fragte traurig: »Denkst du denn gar nicht daran, was mir passiert, wenn jetzt jemand kommt?« Er war betroffen und verlangte als Zeichen ihrer Verzeihung noch einen Kuß. Sie gab ihn.
    Um drei Uhr pflegte Diederich aus dem Café ins Laboratorium zurückzukehren. Statt dessen war er schon um zwei Uhr wieder in seinem Zimmer. Richtig kam sie noch vor drei. »Wir haben es beide nicht erwarten können! Wie wir uns liebhaben!« Es war schöner als das erstemal, viel schöner. Keine Träne mehr, keine Furcht; und die Sonne schien herein. Diederich breitete Agnes' Haar in der Sonne aus und badete sein Gesicht darin.
    Sie blieb, bis es fast schon zu spät war, die Einkäufe zu machen, die sie zu Hause vorgeschützt hatte. Sie mußte laufen. Diederich, der mitlief, war sehr besorgt, daß es ihr schaden könne. Aber sie lachte, sah rosig aus und nannte ihn ihren Bären. Immer endeten nun so die Tage, an denen sie kam. Immer waren sie glücklich. Herr Göppel stellte fest, daß es Agnes besser gehe als je, und das verjüngte ihn selbst. Daher wurden auch die Sonntage jedesmal heiterer. Es dauerte bis abends, dann ward Punsch gemacht. Diederich mußte Schubert spielen, oder er und der Schwager sangen Burschenlieder, und Agnes begleitete sie. Manchmal sahen sie sich nacheinander um, beiden war zumut, als werde ihr Glück gefeiert.
    Es kam vor, daß im Laboratorium der Diener zu Diederich eintrat und ihm meldete, draußen sei eine Dame. Er stand sofort auf, stolz errötend unter den verständnisvollen Blicken der Kollegen. Und dann bummelten sie, gingen ins Café, ins Panoptikum; und da Agnes gern Bilder sah, erfuhr Diederich auch, daß es Kunstausstellungen gab. Agnes liebte es, vor einem Bild, das ihr gefiel, einer sanften,

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