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Der Untertan

Der Untertan

Titel: Der Untertan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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beschloß er, sich Bucks Äußerungen genau zu merken. Dachte der Mensch mit solchen Gesinnungen Karriere zu machen? Diederich erinnerte sich, daß auf der Schule Bucks deutsche Aufsätze, die zu geistreich waren, ihm ein unerklärtes, aber tiefes Mißtrauen eingegeben hatten. ›Stimmt‹, dachte er, ›so ist er geblieben. Ein Schöngeist. Die ganze Familie ist so.‹ Die Frau des alten Buck war eine Jüdin gewesen, die Theater gespielt hatte. Und Diederich fühlte sich nachträglich gedemütigt durch das herablassende Wohlwollen des alten Buck, beim Begräbnis seines Vaters. Auch der junge demütigte ihn, fortwährend und mit allem: mit seinen überlegenen Redensarten, seinen Manieren, seinem Verkehr bei den Offizieren. War er ein Herr von Barnim? Er war auch nur aus Netzig. ›Ich hasse die ganze Familie!‹ Und Diederich betrachtete aus gekniffenen Lidern dies fleischige Gesicht mit der weich gebogenen Nase und den feucht glänzenden Augen, die sannen. Buck stand auf. »Nun, wir sehen uns zu Hause wieder. Nächstes oder übernächstes Semester mache ich mein Examen, und was bleibt dann weiter übrig, als Rechtsanwalt spielen in Netzig... Und Sie?« fragte er. Diederich erklärte streng, daß er seine Zeit nicht zu verlieren und noch im Sommer seine Doktorarbeit abzuschließen denke. Damit führte er Buck hinaus. ›Ein dummer Kerl bist du doch nur‹, dachte er. ›Merkst gar nicht, daß ich ein Mädchen bei mir habe.‹ Er kehrte zurück, froh seiner Überlegenheit über Buck und auch über Agnes, die im Dunkeln gewartet und nicht gemuckt hatte.
    Wie er aber die Tür öffnete, hing sie über einem Stuhl, ihre Brust ging heftig, und mit dem Taschentuch unterdrückte sie das Keuchen. Sie sah ihm entgegen, aus geröteten Augen. Er sah: sie war da drinnen fast erstickt, und sie hatte geweint — indes er hier draußen getrunken und unnützes Zeug geredet hatte. Seine erste Regung war maßlose Reue. Sie liebte ihn! Da saß sie und liebte ihn so sehr, daß sie alles ertrug! Er war im Begriff, die Arme zu erheben, vor sie hinzustürzen und sie weinend um Verzeihung zu bitten. Rechtzeitig hielt er sich zurück, aus Furcht vor der Szene und der sentimentalen Stimmung nachher, die ihn wieder mehrere Arbeitstage kostete und ihr die Oberhand gab. Er tat ihr nicht den Willen! Denn natürlich übertrieb sie absichtlich. So küßte er sie flüchtig auf die Stirn und sagte: »Du bist schon da? Ich hab dich gar nicht kommen gesehen.« Sie zuckte auf, wie um etwas zu erwidern, aber sie schwieg. Darauf erklärte er, es sei gerade jemand fortgegangen. »So ein Judenbengel, der sich aufspielt! Einfach ekelhaft!« Diederich lief im Zimmer umher. Um Agnes nicht ansehen zu müssen, lief er immer schneller und redete immer heftiger. »Das sind unsere schlimmsten Feinde! Die mit ihrer sogenannten feinen Bildung, die alles antasten, was uns Deutschen heilig ist! Solch ein Judenbengel kann froh sein, daß wir ihn dulden. Soll er seine Pandekten büffeln und die Schnauze halten. Auf seine schöngeistigen Schmöker huste ich!« schrie er noch lauter, mit der Absicht, auch Agnes zu kränken. Da sie nicht antwortete, nahm er einen neuen Anlauf. »Das kommt aber alles, weil jeder mich jetzt zu Hause findet. Immer muß ich deinetwegen auf der Bude hocken!«
    Agnes sagte schüchtern: »Wir haben uns schon sechs Tage nicht gesehen. Sonntag bist du wieder nicht gekommen. Ich fürchte, du hast mich nicht mehr lieb.« Er blieb vor ihr stehen. Von oben herab: »Mein liebes Kind, daß ich dich liebhabe, brauch ich dir wohl wirklich nicht mehr zu versichern. Aber eine andere Frage ist es, ob ich darum auch Lust habe, jeden Sonntag deinen Tanten beim Häkeln zuzusehen und mit deinem Vater über Politik zu reden, wovon er nichts versteht.« Agnes senkte den Kopf. »Früher war es so schön. Du standest dich schon so gut mit Papa.« Diederich drehte ihr den Rücken zu und sah aus dem Fenster. Das war es eben: er fürchtete zu gut zu stehen mit Herrn Göppel. Durch seinen Buchhalter, den alten Sötbier, wußte er, daß Göppels Geschäft bergab ging. Seine Zellulose taugte nichts mehr, Sötbier bezog sie nicht mehr von ihm. Da wäre ein Schwiegersohn wie Diederich ihm freilich gelegen gekommen. Diederich fühlte sich umgarnt von diesen Leuten. Auch von Agnes! Er hatte sie im Verdacht, mit dem Alten zusammenzustecken. Entrüstet wandte er sich ihr wieder zu. »Und dann, liebes Kind, ehrlich gestanden: was wir beide tun, nicht wahr, das ist unsere Sache,

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