Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats
der Gewalt des Mannes unbedingt überliefert: wenn er sie tödtet, so übt er nur sein Recht aus.
Mit der patriarchalischen Familie betreten wir das Gebiet der geschriebnen Geschichte, und damit ein Gebiet, wo die vergleichende Rechtswissenschaft uns bedeutende Hülfe leisten kann. Und in der That hat sie uns hier einen wesentlichen Fortschritt gebracht. Wir verdanken Maxim Kovalevsky ( Tableau etc. de la famille et de la propriété, Stockholm 1890, p. 60-100 ) den Nachweis, daß die patriarchalische Hausgenossenschaft, wie wir sie heute noch bei Serben und Bulgaren unter dem Namen Zádruga (etwa Verfreundung zu übersetzen) oder Bratstvo (Brüderschaft), und in modifizirter Form bei orientalischen Völkern vorfinden, die Uebergangsstufe gebildet hat zwischen der, aus der Gruppenehe entspringenden, mutterrechtlichen Familie und der Einzelfamilie der modernen Welt. Wenigstens für die Kulturvölker der alten Welt, für Arier und Semiten scheint dies erwiesen.
Die südslawische Zadruga bietet das beste noch lebende Beispiel einer solchen Familiengemeinschaft. Sie umfaßt mehrere Generationen der Nachkommen eines Vaters, nebst deren Frauen, die alle auf einem Hof zusammen wohnen, ihre Felder gemeinsam bebauen, aus gemeinsamem Vorrath sich nähren und kleiden, und den Ueberschuß des Ertrags gemeinsam besitzen. Die Gemeinschaft steht unter oberster Verwaltung des Hausherrn ( domácin ) der sie nach Außen vertritt, kleinere Gegenstände veräußern darf, die Kasse führt und für dieselbe, sowie für den regelmäßigen Geschäftsgang verantwortlich ist. Er wird gewählt und braucht keineswegs der älteste zu sein. Die Frauen und ihre Arbeiten stehn unter Leitung der Hausfrau (domácica) die gewöhnlich die Frau des Domacin ist. Sie hat auch bei der Gattenwahl für die Mädchen eine wichtige, oft die entscheidende Stimme. Die oberste Macht aber ruht im Familienrath, der Versammlung aller erwachsenen Genossen, Frauen wie Männer. Dieser Versammlung legt der Hausherr Rechenschaft ab; sie faßt die entscheidenden Beschlüsse, übt Gerichtsbarkeit über die Mitglieder, beschließt über Käufe und Verkäufe von einiger Bedeutung, namentlich von Grundbesitz u. s. w. Erst seit ungefähr zehn Jahren ist das Fortbestehn solcher großen Familiengenossenschaften auch in Rußland nachgewiesen; sie sind jetzt allgemein als ebenso sehr in der russischen Volkssitte wurzelnd anerkannt wie die Obšcina oder Dorfgemeinschaft. Sie figuriren im ältesten russischen Gesetzbuch, der Pravda des Jaroslav, unter demselben Namen ( vervj ) wie in den dalmatinischen Gesetzen, und lassen sich auch in polnischen und cechischen Geschichtsquellen nachweisen.
Auch bei den Deutschen ist nach Heußler (Institutionen des deutschen Rechts) die wirtschaftliche Einheit ursprünglich nicht die Einzelfamilie im modernen Sinn, sondern die »Hausgenossenschaft,« die aus mehreren Generationen, beziehungsweise Einzelfamilien, besteht und daneben oft genug Unfreie in sich begreift. Auch die römische Familie wird auf diesen Typus zurückgeführt, und die absolute Gewalt des Hausvaters, wie die Rechtlosigkeit der übrigen Familienglieder, ihm gegenüber, wird demzufolge neuerdings stark bestritten. Bei den Kelten sollen ebenfalls in Irland ähnliche Familiengenossenschaften bestanden haben; in Frankreich erhielten sie sich im Nivernais unter dem Namen parçonneries bis auf die französische Revolution, und in der Franche Comté sind sie noch heute nicht ganz ausgestorben. In der Gegend von Louhans ( Saône et Loire ) sieht man große Bauernhäuser mit gemeinsamem, hohem, bis ans Dach reichenden Centralsaal, und rings herum die Schlafkammern, zu denen man auf Treppen von sechs bis acht Stufen gelangt, und worin mehrere Generationen derselben Familie wohnen.
In Indien ist die Hausgenossenschaft mit gemeinsamer Bodenbebauung bereits von Nearchus, zur Zeit Alexander des Großen, erwähnt und besteht in derselben Gegend, im Pandschâb und ganzen Nordwesten des Landes noch heute. Im Kaukasus hat Kovalevsky selbst sie nachweisen können. In Algerien besteht sie noch bei den Kabylen. Selbst in Amerika soll sie vorgekommen sein, man will sie entdecken in den »Calpullis«, die Zurita im alten Mexiko beschreibt; dagegen hat Cunow (Ausland 1890, Nr. 42-44) ziemlich klar nachgewiesen, daß in Peru zur Zeit der Eroberung eine Art Markverfassung (wobei die Mark sonderbarer Weise Marca hieß) mit periodischer Auftheilung des bebauten Landes, also Einzelbebauung,
Weitere Kostenlose Bücher