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Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Titel: Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Engels
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oder bürgerlichen Praxis nicht besser ergeht, als allen andern Maßstäben der Moral – man setzt sich über ihn hinweg. Aber es ergeht ihm auch nicht schlechter. Er wird ebensogut wie sie anerkannt – in der Theorie, auf dem Papier. Und mehr kann er vor der Hand nicht verlangen.
    Wo das Alterthum abgebrochen mit seinen Anläufen zur Geschlechtsliebe, da setzt das Mittelalter wieder an: beim Ehebruch. Wir haben die ritterliche Liebe bereits geschildert, die die Tagelieder erfand. Von dieser Liebe, die die Ehe brechen will, bis zu der die sie gründen soll, ist noch ein weiter Weg, den das Ritterthum nie vollauf zurücklegt. Selbst wenn wir von den frivolen Romanen zu den tugendsamen Deutschen übergehn, finden wir im Nibelungenlied, daß Kriemhild zwar im Stillen nicht minder in Siegfried verliebt ist als er in sie, daß sie aber dennoch auf Gunthers Anzeige, er habe sie einem Ritter zugeschworen, den er nicht nennt, einfach antwortet: »Ihr braucht mich nicht zu bitten; wie Ihr mir gebietet, so will ich immer sein; den Ihr, Herr, mir gebt zum Mann, dem will ich mich gern verloben.« Es fällt ihr gar nicht in den Sinn, daß ihre Liebe hier überhaupt in Betracht kommen kann. Gunther wirbt um Brünhild, Etzel um Kriemhild ohne sie je gesehn zu haben; ebenso in der Gutrun Sigebant von Irland um die norwegische Ute, Hetel von Hegelingen um Hilde von Irland, endlich Siegfried von Morland, Hartmut von Ormanien und Herwig von Seeland um Gutrun; und hier erst kommt es vor, daß diese sich freiwillig für letzteren entscheidet. In der Regel wird die Braut des jungen Fürsten ausgesucht von dessen Eltern, wenn sie noch leben, sonst von ihm selbst unter Beirath der großen Lehenträger, die in allen Fällen ein gewichtiges Wort dabei mitsprechen. Es kann auch gar nicht anders sein. Für den Ritter oder Baron wie für den Landesfürsten selbst ist die Verheirathung ein politischer Akt, eine Gelegenheit der Machtvergrößerung durch neue Bündnisse; das Interesse des Hauses hat zu entscheiden, nicht das Belieben des Einzelnen. Wie soll da die Liebe in die Lage kommen, das letzte Wort zu sprechen über den Eheschluß?
    Nicht anders mit dem Zunftbürger der mittelalterlichen Städte. Gerade die ihn schützenden Privilegien, die verklausulirten Zunftordnungen, die verkünstelten Grenzlinien, die ihn gesetzlich schieden hier von den andern Zünften, dort von seinen eignen Zunftgenossen, da von seinen Gesellen und Lehrlingen, zogen den Kreis schon eng genug, aus dem er sich eine passende Gattin suchen konnte. Und welche unter ihnen die passendste war, das entschied unter diesem verwickelten System unbedingt nicht sein individuelles Belieben, sondern das Familieninteresse.
    So blieb also in der unendlichen Mehrzahl der Fälle der Eheschluß bis zum Ende des Mittelalters, was er von Anfang an gewesen, eine Sache, die nicht von den Betheiligten entschieden wurde. Im Anfang kam man bereits verheirathet auf die Welt – verheirathet mit einer ganzen Gruppe des andern Geschlechts. In den späteren Formen der Gruppenehe fand wahrscheinlich ein ähnliches Verhältniß statt, nur unter stets wachsender Verengerung der Gruppe. In der Paarungsehe ist es Regel, daß die Mütter die Ehen ihrer Kinder verabreden; auch hier entscheiden Rücksichten auf neue Verwandtschaftsbande, die dem jungen Paar eine stärkere Stellung in Gens und Stamm verschaffen sollen. Und als mit dem Ueberwiegen des Privateigenthums über das Gemeineigenthum und mit dem Interesse an der Vererbung das Vaterrecht und die Monogamie zur Herrschaft kamen, da wurde der Eheschluß erst recht abhängig von ökonomischen Rücksichten. Die Form der Kaufehe verschwindet, die Sache wird in stets steigendem Maß durchgeführt, sodaß nicht nur die Frau, sondern auch der Mann einen Preis erhält – nicht nach seinen persönlichen Eigenschaften, sondern nach seinem Besitz. Daß die gegenseitige Neigung der Betheiligten der alles andre überwiegende Grund des Eheschlusses sein sollte, das war in der Praxis der herrschenden Klassen unerhört geblieben von Anfang an; so etwas kam vor höchstens in der Romantik oder – bei den unterdrückten Klassen, die nicht zählten.
    Das war der Zustand, den die kapitalistische Produktion vorfand, als sie, seit dem Zeitalter der geographischen Entdeckungen, durch den Welthandel und die Manufaktur sich anschickte zur Weltherrschaft. Man sollte meinen, dieser Modus der Eheschließung habe ihr ausnehmend gepaßt, und so war es auch. Und dennoch – die

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