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Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Titel: Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Engels
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Wünsche, Sehnsucht nach Rückkehr der guten alten Zeit, trieben Geld und Zinswucher nicht wieder aus der Welt. Und obendrein waren eine Reihe andrer, untergeordneter Breschen in die Gentilverfassung gelegt. Die Durcheinanderwürfelung der Gentilgenossen und Phratoren auf dem ganzen attischen Gebiet, namentlich in der Stadt Athen selbst, war von Geschlecht zu Geschlecht größer geworden, trotzdem daß auch jetzt noch ein Athener zwar Grundstücke außerhalb seiner Gens verkaufen durfte, nicht aber sein Wohnhaus. Die Theilung der Arbeit zwischen den verschiednen Produktionszweigen: Ackerbau, Handwerk, im Handwerk wieder zahllose Unterarten, Handel, Schiffahrt u. s. w., hatte sich mit den Fortschritten der Industrie und des Verkehrs immer vollständiger entwickelt; die Bevölkerung theilte sich nun nach ihrer Beschäftigung in ziemlich feste Gruppen, deren jede eine Reihe neuer, gemeinsamer Interessen hatte, für die in der Gens oder Phratrie kein Platz war, die also zu ihrer Besorgung neue Aemter nöthig machten. Die Zahl der Sklaven hatte sich bedeutend vermehrt und muß schon damals die der freien Athener weit überstiegen haben; die Gentilverfassung kannte ursprünglich keine Sklaverei, also auch kein Mittel, diese Masse Unfreier im Zaum zu halten. Und endlich hatte der Handel eine Menge Fremder nach Athen gebracht die dort des leichtern Gelderwerbs wegen sich niederließen und ebenfalls nach der alten Verfassung recht- und schutzlos, und trotz herkömmlicher Duldung ein störend fremdes Element im Volk blieben.
    Kurz, mit der Gentilverfassung ging es zu Ende. Die Gesellschaft wuchs täglich mehr aus ihr heraus; selbst die schlimmsten Uebel, die unter ihren Augen entstanden waren, konnte sie nicht hemmen noch heben. Aber der Staat hatte sich inzwischen im Stillen entwickelt. Die neuen, durch die Theilung der Arbeit zuerst zwischen Stadt und Land, dann zwischen den verschiednen städtischen Arbeitszweigen geschaffnen Gruppen hatten neue Organe geschaffen zur Wahrnehmung ihrer Interessen; Aemter aller Art waren eingerichtet worden. Und dann brauchte der junge Staat vor Allem eine eigne Macht, die bei den seefahrenden Athenern zunächst nur eine Seemacht sein konnte, zu einzelnen kleinen Kriegen und zum Schutz der Handelsschiffe. Es wurden, zu unbekannter Zeit vor Solon, die Naukrarien errichtet, kleine Gebietsbezirke, zwölf in jedem Stamm; jede Naukrarie mußte ein Kriegsschiff stellen, ausrüsten und bemannen und stellte außerdem noch zwei Reiter. Diese Einrichtung griff die Gentilverfassung zwiefach an. Erstens indem sie eine öffentliche Gewalt schuf, die schon nicht mehr ohne Weiteres mit der Gesammtheit des bewaffneten Volks zusammenfiel; und zweitens, indem sie zum ersten Mal das Volk zu öffentlichen Zwecken eintheilte, nicht nach Verwandtschaftsgruppen, sondern nach örtlichem Zusammenwohnen . Was das zu bedeuten hatte, wird sich zeigen.
    Konnte die Gentilverfassung dem ausgebeuteten Volk keine Hülfe bringen, so blieb nur der entstehende Staat. Und dieser brachte sie in der solonischen Verfassung, indem er sich zugleich neuerdings auf Kosten der alten Verfassung stärkte. Solon – die Art, wie seine in das Jahr 594 vor unsrer Zeitrechnung fallende Reform durchgesetzt wurde, geht uns hier nichts an – Solon eröffnete die Reihe der sogenannten politischen Revolutionen, und zwar mit einem Eingriff in das Eigenthum. Alle bisherigen Revolutionen sind Revolutionen gewesen zum Schutz einer Art des Eigenthums gegen eine andere Art des Eigenthums. Sie können das eine nicht schützen, ohne das andre zu verletzen. In der großen französischen Revolution wurde das feudale Eigenthum geopfert, um das bürgerliche zu retten; in der solonischen mußte das Eigenthum der Gläubiger herhalten zum Besten des Eigenthums der Schuldner. Die Schulden wurden einfach für ungültig erklärt. Die Einzelheiten sind uns nicht genau bekannt, aber Solon rühmt sich in seinen Gedichten, die Pfandsäulen von den verschuldeten Grundstücken entfernt und die wegen Schulden in's Ausland Verkauften und Geflüchteten zurückgeführt zu haben. Dies war nur möglich durch offne Eigenthumsverletzung. Und in der That, von der ersten bis zur letzten sogenannten politischen Revolution sind sie alle gemacht worden zum Schutz des Eigenthums – einer Art und durchgeführt durch Konfiskation, auch genannt Diebstahl des Eigenthums – einer andern Art. So wahr ist es, daß seit drittehalb tausend Jahren das Privateigenthum hat erhalten werden

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