Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats
und heruntergebracht, wie früher die römischen Bauern in den letzten Zeiten der Republik. Sie, die ursprünglich das ganze Heer, und nach der Eroberung Frankreichs dessen Kern gebildet hatten, waren am Anfang des neunten Jahrhunderts so verarmt, daß kaum noch der fünfte Mann ausziehen konnte. An die Stelle des direkt vom König aufgebotenen Heerbannes freier Bauern trat ein Heer, zusammengesetzt aus den Dienstleuten der neuaufgekommenen Großen, darunter auch hörige Bauern, die Nachkommen derer, die früher keinen Herrn als den König, und noch früher gar keinen, nicht einmal einen König gekannt hatten. Unter den Nachfolgern Karl's wurde der Ruin des fränkischen Bauernstandes durch innere Kriege, Schwäche der königlichen Gewalt und entsprechende Uebergriffe der Großen, zu denen nun noch die von Karl eingesetzten und nach Erblichkeit des Amts strebenden Gaugrafen kamen, endlich durch die Einfälle der Normannen vollendet. Fünfzig Jahre nach dem Tode Karl's des Großen lag das Frankenreich ebenso widerstandslos zu den Füßen der Normannen, wie vierhundert Jahre früher das Römerreich zu den Füßen der Franken.
Und nicht nur die äußere Ohnmacht, sondern auch die innere Gesellschaftsordnung oder vielmehr -Unordnung war fast dieselbe. Die freien fränkischen Bauern waren in eine ähnliche Lage versetzt wie ihre Vorgänger, die römischen Kolonen. Durch die Kriege und Plünderungen ruinirt, hatten sie sich in den Schutz der neuaufgekommenen Großen oder der Kirche begeben müssen, da die königliche Gewalt zu schwach war, sie zu schützen; aber diesen Schutz mußten sie theuer erkaufen. Wie früher die gallischen Bauern, mußten sie das Eigenthum an ihrem Grundstück an den Schutzherrn übertragen und erhielten dies von ihm zurück als Zinsgut unter verschiednen und wechselnden Formen, stets aber nur gegen Leistung von Diensten und Abgaben; einmal in diese Form von Abhängigkeit versetzt, verloren sie nach und nach auch die persönliche Freiheit; nach wenig Generationen waren sie zumeist schon Leibeigne. Wie rasch der Untergang des freien Bauernstandes sich vollzog, zeigt Irminon's Grundbuch der Abtei Saint Germain des Près, damals bei, jetzt in Paris. Auf dem weiten, in der Umgegend zerstreuten Grundbesitz dieser Abtei saßen damals, noch zu Lebzeiten Karl's des Großen, 2788 Haushaltungen, fast ausnahmslos Franken mit deutschen Namen. Darunter 2080 Kolonen, 35 Liten, 220 Sklaven und nur 8 freie Hintersassen! Die von Salvianus für gottlos erklärte Uebung, daß der Schutzherr das Grundstück des Bauern sich zu Eigenthum übertragen ließ und es ihm nur auf Lebenszeit zur Nutzung zurückgab, wurde jetzt von der Kirche gegen die Bauern allgemein praktizirt. Die Frohndienste, die jetzt mehr und mehr in Gebrauch kamen, hatten in den römischen Angarien, Zwangsdiensten für den Staat, ihr Vorbild ebensosehr gehabt wie in den Diensten der deutschen Markgenossen für Brücken- und Wegebauten und andre gemeinsame Zwecke. Dem Schein nach war also die Masse der Bevölkerung nach vierhundert Jahren ganz wieder beim Anfang angekommen.
Das aber bewies nur zweierlei: Erstens, daß die gesellschaftliche Gliederung und die Eigenthumsvertheilung im sinkenden Römerreich der damaligen Stufe der Produktion in Ackerbau und Industrie vollständig entsprochen hatte, also unvermeidlich gewesen war; und zweitens, daß diese Produktionsstufe während der folgenden vierhundert Jahre weder wesentlich gesunken war, noch sich wesentlich gehoben hatte, also mit derselben Notwendigkeit dieselbe Eigenthumsvertheilung und dieselben Bevölkerungsklassen wieder erzeugt hatte. Die Stadt hatte in den letzten Jahrhunderten des Römerreichs ihre frühere Herrschaft über das Land verloren und in den ersten Jahrhunderten der deutschen Herrschaft sie nicht wieder erhalten. Es setzt dies eine niedrige Entwicklungsstufe sowohl des Ackerbaus wie der Industrie voraus. Diese Gesammtlage produzirt mit Notwendigkeit große herrschende Grundbesitzer und abhängige Kleinbauern. Wie wenig es möglich war, einerseits die römische Latifundienwirthschaft mit Sklaven, andrerseits die neuere Großkultur mit Frohnarbeit einer solchen Gesellschaft aufzupropfen, beweisen Karl's des Großen ungeheure, aber fast spurlos vorübergegangne Experimente mit den berühmten kaiserlichen Villen. Sie wurden fortgesetzt nur von Klöstern und waren nur für diese fruchtbar; die Klöster aber waren abnorme Gesellschaftskörper, gegründet auf Ehelosigkeit; sie konnten
Weitere Kostenlose Bücher