Die Ehre der MacKenzies (German Edition)
PROLOG
W olf Mackenzie stieg leise aus dem Bett und ging zum Fenster hinüber. Dort stand er und sah hinaus auf sein Land, das still im silbrigen Mondschein dalag. Ein schneller Blick über seine bloße Schulter zeigte ihm, dass Mary ruhig weiterschlief, auch wenn er wusste, es würde nicht lange dauern, bis sie seine Abwesenheit spüren und nach ihm tasten würde. Wenn ihre Hand seine Wärme nicht fühlte, würde Mary unweigerlich wach werden, sich aufsetzen und sich verschlafen das seidige Haar aus dem Gesicht streichen. Sie würde ihn beim Fenster stehen sehen und zu ihm kommen, um sich an seinen nackten Körper zu schmiegen und ihren Kopf an seine Brust zu legen.
Ein Lächeln umspielte seinen Mund. Wenn er lange genug hier stehen blieb und sie wach wurde, dann würden sie gemeinsam ins Bett zurückkehren. Nicht um zu schlafen, sondern um sich zu lieben. Maris war bei einer solchen Gelegenheit empfangen worden, das wusste er. Damals war er ebenso rastlos gewesen, weil Joes Geschwader zu seinem ersten Einsatz geschickt worden war, zu irgendeinem Krisenherd auf der Welt. Wolf war so angespannt gewesen wie während seiner eigenen Zeit in Vietnam.
Glücklicherweise lagen diese Tage hinter ihm und Mary. Heute bekamen sie keine eigenen Kinder mehr, sondern Enkel. Zehn waren es jetzt, um genau zu sein.
Dennoch …, er war rastlos, und er kannte den Grund. Wolf schlief nur gut, wenn er wusste, wo seine Jungs waren. Dass sie mittlerweile alle erwachsen waren und selbst Kinder hatten, war unerheblich. Unwichtig war auch, dass sie alle bestens auf sich selbst aufpassen konnten. Es waren seine Jungs, und er war immer für sie da, wenn sie ihn brauchten. Wolf wollte wissen, zumindest ungefähr, wo sie sich aufhielten. Gar nicht mal so genau, manchmal war es besser, wenn Eltern nicht über alles informiert waren, aber er wüsste wenigstens gern, in welchem Staat auf der Welt sich seine Kinder befanden.
Um Joe machte sich Wolf dieses Mal keine Sorgen. Der saß mit vier Sternen auf der Epaulette im Pentagon, am runden Tisch mit den anderen Generälen. Dabei würde er sich immer noch lieber in ein Cockpit zwängen und mit Überschallgeschwindigkeit über den Himmel jagen. Aber diese Zeit lag hinter ihm. Jetzt war der Schreibtisch sein Revier, und auch in diesem Job im Büro war er kaum zu schlagen. Außerdem, so hatte Joe selbst einmal gesagt, war die Ehe mit Caroline eine größere Herausforderung als ein Kampf mit einer Straßengang, bei dem einer gegen fünf antrat.
Wolf musste grinsen, als er an seine Schwiegertochter dachte. Ein Genie mit Doktortiteln in Physik und Informatik, ein wenig arrogant, höchst eigen und kapriziös. Caroline hatte ihren Pilotenschein gemacht, kurz nach der Geburt des ersten Sohnes. Sie meinte, die Frau eines Kampfpiloten müsse wenigstens die Grundlagen der Fliegerei beherrschen. Die Lizenz, einen Privatjet zu fliegen, hatte sie nach der Geburt des dritten Sohnes erworben. Nach dem fünften Sohn hatte sie Joe entschieden davon in Kenntnis gesetzt, dass sie nicht mehr schwanger würde, schließlich habe sie ihm fünf Chancen gegeben, aber anscheinend sei er eben nicht in der Lage, eine Tochter zu zeugen.
Irgendwann einmal hatte jemand Joe vorsichtig angeraten, Caroline solle vielleicht besser ihren Job aufgeben. Die Firma, für die sie arbeitete, erhielt zahlreiche Regierungsaufträge, und auch nur der Anschein von Begünstigung könne Joes Karriere schaden. Joe hatte nur mit eisblauen Augen den kühlen Blick auf seine Vorgesetzten gerichtet und erwidert: „Gentlemen, wenn ich zwischen meiner Frau und meiner Karriere wählen muss, so können Sie gleich hier mein Rücktrittsgesuch entgegennehmen.“ Damit hatte niemand gerechnet, und es wurde nie wie der auch nur ein Ster bens wört chen von Caro lines Arbeit in Forschung und Technik gesagt.
Um Michael machte Wolf sich keine Sorgen. Michael war der solideste seiner Sprösslinge und ebenso entschlossen wie der Rest. Michael hatte sich schon früh entschieden, Rancher zu werden. Und genau das war eingetreten. Ihm gehörte ein ansehnliches Stück Land in der Nähe von Laramie, er und seine Frau verbrachten ihre Zeit glücklich damit, Rinder und zwei Söhne großzuziehen.
Der einzige Aufruhr, den Michael je verursacht hatte, war seine Heirat mit Shea Colvin gewesen. Wolf und Mary hatten dem Paar ihren Segen gegeben, das Problem war nur … Shea war Pam Hearst Colvins Tochter, und Pam wiederum war eine alte Freundin von Joe. Pams Vater, Ralph
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