Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Titel: Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Engels
Vom Netzwerk:
Ausnahmsweises leisten, mußten aber ebendeßhalb auch Ausnahmen bleiben.
    Und doch war man während dieser vierhundert Jahre weiter gekommen. Finden wir auch am Ende fast dieselben Hauptklassen wieder vor wie am Anfang, so waren doch die Menschen andre geworden, die diese Klassen bildeten. Verschwunden war die antike Sklaverei, verschwunden die verlumpten armen Freien, die die Arbeit als sklavisch verachteten. Zwischen dem römischen Kolonen und dem neuen Hörigen hatte der freie fränkische Bauer gestanden. Das »unnütze Erinnern und der vergebliche Streit« des verfallenden Römerthums war todt und begraben. Die Gesellschaftsklassen des neunten Jahrhunderts hatten sich gebildet, nicht in der Versumpfung einer untergehenden Civilisation, sondern in den Geburtswehen einer neuen. Das neue Geschlecht, Herren wie Diener, war ein Geschlecht von Männern, verglichen mit seinen römischen Vorgängern. Das Verhältniß von mächtigen Grundherren und dienenden Bauern, das für diese die auswegslose Untergangsform der antiken Welt gewesen, es war jetzt für jene der Ausgangspunkt einer neuen Entwicklung. Und dann, so unproduktiv diese vierhundert Jahre auch scheinen, ein großes Produkt hinterließen sie: die modernen Nationalitäten, die Neugestaltung und Gliederung der westeuropäischen Menschheit für die kommende Geschichte. Die Deutschen hatten in der That Europa neu belebt, und darum endete die Staatenauflösung der germanischen Periode nicht mit normännisch-sarazenischer Unterjochung, sondern mit der Fortbildung der Benefizien und der Schutzergebung (Kommendation) zum Feudalismus, und mit einer so gewaltigen Volksvermehrung, daß kaum zweihundert Jahre nachher die starken Aderlässe der Kreuzzüge ohne Schaden ertragen wurden.
    Was aber war das geheimnißvolle Zaubermittel, wodurch die Deutschen dem absterbenden Europa neue Lebenskraft einhauchten? War es eine, dem deutschen Volksstamm eingeborne Wundermacht, wie unsre chauvinistische Geschichtschreibung uns vordichtet? Keineswegs. Die Deutschen waren, besonders damals, ein hochbegabter arischer Stamm, und in voller lebendiger Entwicklung begriffen. Aber nicht ihre specifischen nationalen Eigenschaften waren es, die Europa verjüngt haben, sondern einfach – ihre Barbarei, ihre Gentilverfassung.
    Ihre persönliche Tüchtigkeit und Tapferkeit, ihr Freiheitssinn und demokratischer Instinkt, der in allen öffentlichen Angelegenheiten seine eignen Angelegenheiten sah, kurz, alle die Eigenschaften, die dem Römer abhanden gekommen und die allein im Stande, aus dem Schlamm der Römerwelt neue Staaten zu bilden und neue Nationalitäten wachsen zu lassen – was waren sie anders als die Charakterzüge des Barbaren der Oberstufe – Früchte seiner Gentilverfassung?
    Wenn sie die antike Form der Monogamie umgestalteten, die Männerherrschaft in der Familie milderten, der Frau eine höhere Stellung gaben, als die klassische Welt sie je gekannt, was befähigte sie dazu, wenn nicht ihre Barbarei, ihre Gentilgewohnheiten, ihre noch lebendigen Erbschaften aus der Zeit des Mutterrechts?
    Wenn sie wenigstens in dreien der wichtigsten Länder, Deutschland, Nordfrankreich und England, ein Stück ächter Gentilverfassung in der Form der Markgenossenschaften in den Feudalstaat hinüberretteten, und damit der unterdrückten Klasse, den Bauern, selbst unter der härtesten mittelalterlichen Leibeigenschaft, einen lokalen Zusammenhalt und ein Mittel des Widerstands gaben, wie es weder die antiken Sklaven fertig vorfanden noch die modernen Proletarier – wem war das geschuldet, wenn nicht ihrer Barbarei, ihrer ausschließlich barbarischen Ansiedlungsweise nach Geschlechtern?
    Und endlich, wenn sie die bereits in der Heimath geübte mildere Form der Knechtschaft, in die auch im Römerreich die Sklaverei mehr und mehr überging, ausbilden und zur ausschließlichen erheben konnten; eine Form, die, wie Fourier zuerst hervorgehoben, den Geknechteten die Mittel zur allmäligen Befreiung als Klasse gibt ( fournit aux cultivateurs des moyens d'affranchissement collectif et progressiv ); eine Form, die sich hierdurch hoch über die Sklaverei stellt, bei der nur die sofortige Einzelfreilassung ohne Uebergangszustand möglich (Abschaffung der Sklaverei durch siegreiche Rebellion kennt das Alterthum nicht) – während in der That die Leibeignen des Mittelalters nach und nach ihre Befreiung als Klasse durchsetzten – wem verdanken wir das, wenn nicht ihrer Barbarei, kraft deren sie es noch nicht zur

Weitere Kostenlose Bücher