Der Vater des Attentäters (German Edition)
noch meinen grauen Anzug. Sonst hatte ich nichts. Ich fragte Bonnie, wann der Krebs bei ihr diagnostiziert worden sei.
«Im letzten Herbst», sagte sie. «Etwa zu der Zeit, als sich Ihr Junge schuldig bekannt hat.»
Es sei Bauchspeicheldrüsenkrebs, sagte sie. Die Ärzte machten ihr wenig Hoffnung. Sie hatten einen Tumor entfernt und sie mit zwei Chemotherapien und Bestrahlungen nachbehandelt, aber Bauchspeicheldrüsenkrebs ist bekannt für seine verheerenden Verläufe. Nur fünf Prozent der Patienten leben nach fünf Jahren noch. Die meisten sterben innerhalb von Monaten. Ich sagte, ich würde einen bekannten Onkologen kennen, der mit punktgenauen Bestrahlungen erfolgreich sei.
«Ich rufe ihn gerne an», bot ich an.
Sie schüttelte den Kopf. «Es ist, wie es ist», sagte sie. «Nach New York zu fahren, wird nichts daran ändern.»
«Nein», sagte ich, «aber es werden ständig neue Behandlungsmethoden entwickelt. Es gibt neue klinische Studien.»
Sie dankte mir, meinte aber, sie habe ihren Frieden damit gemacht. «Es ist komisch, ich glaube, Ted hat mehr Angst als ich. Ich bin entschlossen, mich damit abzufinden. Im Mai würde ich gerne sterben. Der Mai ist ein guter Monat für so etwas. Für Hochzeiten, Babys, Beerdigungen.»
«Im Frühling sind die Menschen immer voller Optimismus», sagte ich.
«Ich stelle fest, dass ich heute vieles anders sehe. Ich erkenne Muster im Mais. Die Erde riecht süßer. Ich bin mir der Beschaffenheit der Dinge bewusster. Wie sich der Duschvorhang auf den Fingerspitzen anfühlt, eine Rosine auf der Zunge.»
Wir hörten Schritte auf der Treppe und sahen auf. Eine junge Frau von etwa zwanzig Jahren erschien.
«Doktor Allen», sagte Bonnie, «das ist meine Tochter Cora. Sie war im College eine Weile mit Ihrem Jungen zusammen.»
Cora war eine hübsche junge Frau mit breiten Schultern. Das, was man früher ein Bauernmädchen nannte. Es war merkwürdig zu sehen, wie Cora langsam realisierte, wer ich war. Wie es in ihr arbeitete: Dr. Allen, der Vater von einem, mit dem ich gegangen bin. Als ihr alles klar war, verschloss sich ihr offener Ausdruck augenblicklich. Ihre Miene wurde zornig. «Sie haben hier nichts zu suchen», sagte sie. «Wir wollen Sie hier nicht.»
Ich stand auf. «Es tut mir leid», sagte ich.
«Cora», fuhr Bonnie sie an. «Sei nicht so unverschämt. So behandeln wir niemanden in unserem Haus.»
«Aber Mom …», begann sie.
«Nein», sagte Bonnie. «Der Junge war ein guter Junge. Es ist mir egal, was die Leute über ihn sagen. Und sein Vater ist so nett, uns zu besuchen. Wenn du dich nicht anständig benehmen kannst, dann geh bitte wieder nach oben.»
Cora behielt mich im Blick, so wie man eine Schlange im Blick behält, damit sie nicht im Schatten verschwindet und einen aus einem anderen Winkel erwischt. «Der Arzt hat gesagt, meine Mutter darf sich nicht anstrengen», sagte sie.
«Ich bleibe nicht lange», antwortete ich. «Ich wollte nur diesen Ort einmal sehen und Ihre Familie kennenlernen. Ich habe auch eine Familie, eine Frau und noch zwei weitere Jungs. Ich habe sie nicht gern alleingelassen, um herzukommen, aber es ging nicht anders. Es wäre schlimmer, wenn ich nie hierhergekommen wäre. Ich musste diesen Ort und die Menschen kennenlernen, die meinen Sohn bei sich aufgenommen haben. Aber ich verspreche, ich bleibe nur so lange, bis ich meinen Tee ausgetrunken habe.»
Ich berührte mein Glas und hielt ihrem Blick stand. Ich sah Angst darin, aber auch eine große Traurigkeit.
«Sie bleiben, solange Sie mögen», sagte Bonnie. «Cora, warum nimmst du dir nicht auch einen Tee und setzt dich zu uns?»
Zum ersten Mal sah Cora weg. Ihr Mund war eine gerade Linie. «Nein», sagte sie. «Ich fahre in die Stadt.»
Sie nahm ihren Autoschlüssel von der Anrichte, tat zwei Schritte auf die Tür zu und blieb noch einmal stehen. Sie drehte sich um. «Er war ein Lügner», erklärte sie mir. «Sie denken, er war einfach nur eine verlorene Seele, aber er war ein Lügner. Und wir haben ihm geglaubt.»
«Ich weiß», sagte ich. «Aber es tut ihm leid. Er sagt es nicht, doch ich sehe es. Er hat es nicht getan, um den Menschen wehzutun, die er liebt.»
«Warum sonst sollte er es getan haben?», sagte sie, als wäre ich ein begriffsstutziger Idiot, und ging.
Ich verharrte einen Moment in Schweigen und lauschte dem Geräusch des Ventilators.
«Sie hat unrecht», sagte Bonnie. «Er war ein netter Kerl.»
Ich sah sie an. Bei einer Chemotherapie sind es nicht die
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