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Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stuart
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griechischen Flagge darauf stand. Manche blieben fort, weil es ihnen nicht passte, warten zu müssen, wenn eine Windel gewechselt wurde. Andere führten die zu kurz geratenen Hosenbeine darauf zurück, dass der Junge, der im Laden herumlief, weil sein Vater ihn nicht in den Kindergarten schicken wollte, zu viel von der Aufmerksamkeit des entzückten Schneiders in Anspruch nahm. Und als Milo dann endlich die Schule besuchte, kamen einige der neu gewonnenen Kunden nie wieder, weil er beim Maßnehmen mit der brutalen Ehrlichkeit des ehemaligen Soldaten vorging.
    Als ihm klar wurde, wie prekär die finanzielle Lage der Familie war, dachte Balthazar Jones darüber nach, wovon andere ehemalige Soldaten lebten. Ihm fiel ein, dass er einmal im Tower von London Wache geschoben und die prächtigen Uniformen der Beefeater gesehen hatte, welche zudem einen überaus überkandidelten Titel führten: Yeoman Warders of Her Majesty’s Royal Palace and Fortress of the Tower of London, and Members of the Sovereign’s Body Guard of the Yeoman Guard Extraordinary . Die Beefeater waren nicht nur ehemalige höhere Ränge der Streitkräfte Ihrer Majestät, sie hatten dort auch alle ein stattliches Dienstalter von mindestens zweiundzwanzig Jahren erreicht. Da er beide Bedingungen erfüllte, reichte er ein Bewerbungsformular ein. Vier Monate später bekam er einen Brief, in dem er darüber informiert wurde, dass eine der legendären Stellen frei geworden sei. Früher hatte der Job die Bewachung (und Folterung) der Tower-Insassen beinhaltet, seit Viktorianischen Zeiten jedoch waren die Beefeater vor allem für die Touristenführungen zuständig.
    Hebe Jones, deren Einkünfte eher bescheiden waren, wusste, dass die Ersparnisse der Familie niemals reichen würden, um ihrem Sohn die von ihnen beiden gewünschte Universitätsausbildung zu ermöglichen. Daher ignorierte sie das Grauen, das sich wie Zement in ihren Eingeweiden festsetzte, und schlug die Warnungen ihres Ehemanns in den Wind, dass sie fortan im Tower würden wohnen müssen. »Jede Frau träumt davon, in einer Burg zu leben«, log sie, ohne den Blick vom Herd abzuwenden.
    Als Balthazar Jones herausfand, dass sie das berühmte Bauwerk nie besichtigt hatte, fragte er, wie das möglich sei, da sie doch ihre gesamte Kindheit in London verbracht habe. Sie erzählte, dass ihre Eltern ihre vier Töchter einmal ins British Museum mitgenommen hätten, um sich den Skulpturenschmuck von der Akropolis anzuschauen. Da aber Mr. und Mrs. Grammatikos angesichts der von den Engländern gestohlenen Exponate in ein lautstarkes Schluchzen ausgebrochen waren, hatte die Familie auf Lebenszeit Hausverbot bekommen. In der Folge hatte sich das Ehepaar geweigert, überhaupt noch irgendwelche britischen Kulturstätten zu besichtigen, woran Hebe Jones aus Solidarität mit ihrer Familie auch als Erwachsene festgehalten hatte.
    Für den Fall, dass es seiner Frau nicht bewusst sein sollte, wies Balthazar Jones sie darauf hin, dass der Tower von London nicht nur ein königlicher Palast- und Festungsbau war, sondern einst auch als Englands Staatsgefängnis gedient und zahlreiche Exekutionen erlebt hatte. Nach landläufiger Meinung spuke es dort sogar. Hebe Jones aber verschwand einfach im Gartenschuppen und tauchte mit einem blau-weiß gestreiften Liegestuhl wieder auf. Sie ließ sich darin nieder und griff zu einem Tower-Führer, den sie gekauft hatte, um ihren Ehemann auf das Vorstellungsgespräch vorzubereiten. Mit der Gnadenlosigkeit eines Scharfschützen feuerte sie Fragen ab auf den Mann, der in seiner Abschlussprüfung in Geschichte in derart hohem Bogen durchgefallen war, dass die ungläubige Lehrerin eine Kopie seiner Klausur aufbewahrt hatte, um sich bei ihren schlimmsten depressiven Schüben mit ihrer Hilfe aufzumuntern. Hebe Jones hielt stur an ihrem Bombardement fest, während ihr Ehemann auf und ab schritt, sich im Nacken kratzte und im leeren Vogelkäfig seines Schädels nach Antworten suchte.
    Die Entschiedenheit seiner Frau kannte keine Grenzen. Wenn sie Balthazar Jones mittags anrief, dann nicht, um sich nach seinen Wünschen fürs Abendessen zu erkundigen, sondern um den Namen der Frau zu erfragen, die im dreizehnten Jahrhundert in den Tower geworfen worden war, weil sie König Johann zurückgewiesen hatte, von dem sie dann schließlich mit einem Ei vergiftet worden war. Wenn sie abends heimkam, fragte sie nicht, wie sein Tag gewesen sei, sondern in welchem Turm man den ersten Herzog von Clarence

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