Köpfe für Carlita
Kerzen verteilten ihr Licht in dem großen, schon saalartigen Raum und huschten auch über den viereckigen Tisch hinweg, auf dem nur ein Gegenstand lag, ein altes Schwert!
Der Schein fand sich auf der Klinge wieder, auf einigen dann hell aufblitzenden Flecken, während der Rest dunkel blieb, als sei das das Omen einer furchtbaren Tat.
Niemand bewegte das Schwert, es lag so ruhig und bewegungslos da, aber die Person, der es gehörte, wußte genau, weshalb sie es auf den Tisch gelegt hatte.
Noch hatte sie Zeit. Noch war es nicht soweit. Sie konnte sich für den Abend vorbereiten und tat dies sehr gründlich. Da sie allein in dem großen Herrenhaus an der Costa Dorada lebte, standen ihr zahlreiche Räume zur Verfügung, von denen sie jedoch nur die wenigsten benutzte.
Wichtig für sie war das geräumige Bad, dessen Wände mit wahren Meisterwerken aus Mosaiken verschönert worden waren.
Ein Motiv zeigte eine Frau, die die Arme erhoben hatte und den Körper streckte. Den Kopf hielt sie so gedreht, daß die angedeuteten Augen Blickkontakt zu einer Frau auf der gegenüberliegenden Wand hatten, die der ersten beinahe aufs Haar glich, die sich aber nicht so entspannt zeigte, denn sie umklammerte mit der rechten Hand den Griff eines Schwerts und mit der linken den Haarschopf eines Kopfes, der vom Körper abgetrennt worden war.
Ein unheimliches Bild. Schaurig und abstoßend, das Gegenteil des ersten. Dazwischen stand die große Badewanne, deren grüngefärbtes Wasser durch den Abfluß gurgelte.
Wer sich in der Wanne aufhielt, konnte beide Motivwände betrachten, die zwei Gegenpole: einmal die Schönheit dieser Welt, zum anderen die häßliche Fratze des Todes.
Das hatte die Frau auch ausgiebig getan. Sie hatte das Bad genossen, wie sie es immer tat, bevor sie Besuch von einem Mann kriegte. Dieses Bad war ihr Reich und Refugium zugleich. Keiner fremden Person erlaubte sie es, den Raum zu betreten, auch ihren Liebhabern nicht.
Carlita Moreno hatte sich nach dem Verlassen der Wanne abgetrocknet, den Körper anschließend mit einem besonderen Ol eingerieben und dabei keine Stelle ausgelassen. Danach war sie in den hellen Bademantel geschlüpft, hatte ihn nur lose geschlossen und stand nun vor dem breiten, beleuchteten Spiegel.
Zwar zeichnete sich im großen Spiegel ihr Oberkörper bis zur Hüfte hin ab, aber Carlita hatte nur Augen für ihr Gesicht, denn das war am wichtigsten. Sie war ein Narziß, sie liebte ihren Körper, aber ihr Gesicht mochte sie am liebsten, und sie geriet beinahe in Panik, wenn sie eine Unregelmäßigkeit darin entdeckte. Es war die schreckliche Angst vor dem Alterwerden, die sich in ihr festgefressen hatte. Kein Mensch wurde jünger oder blieb gleich jung, das wußte auch Carlita Moreno, aber sie wollte es nicht akzeptieren, denn schließlich war sie etwas Besonderes und hob sich so von den anderen Frauen sehr deutlich ab.
Carlita neigte ihren Oberkörper so weit vor, bis sie mit den Oberschenkeln gegen den Rand des breiten Waschbeckens stieß, das unter dem Spiegel seinen Platz gefunden hatte. Sie kontrollierte ihr Gesicht genau und suchte die sonnenbraune Haut nach Pickeln und Falten ab, aber sie fand keine.
Deshalb lächelte sie auch. Sie schwang sich mit einer leichten Bewegung zurück und betrachtete sich jetzt aus einer gewissen Distanz.
Das Gesicht gehörte einer achtunddreißigjährigen Frau, aber sie sah um mehr als zehn Jahre jünger aus. Sie war Spanierin, aber irgendwo in der Ahnenreihe war eine dunkelhäutige Person aufgetaucht. Möglicherweise stammten daher die etwas zu dicken Lippen, die sie aber nicht störten und noch weniger die Männer, denn oft genug hatten sie sich an ihren Lippen festgesaugt wie liebeskranke Ertrinkende.
Die kleine Nase und die herrlichen dunklen Pupillen erinnerten an Vollreife Kirschen.
Die schmale und nicht zu lange Nase verbreiterte sich an ihrem Ende, so daß die Nasenflügel etwas abstanden und vibrierten, wenn Carlita es wollte.
Ihre Stirn war ebenfalls glatt, und das Haar, noch leicht naß vom Waschen, zeigte nicht einen grauen Faden. Es war schwarz wie die Nacht. Dazu lockig von Natur aus, und es umrahmte ihren Kopf und verlieh ihr ein mädchenhaftes Aussehen.
Sie lächelte wieder. Eine ebenmäßige, perlweiße Zahnreihe schimmerte auf. Dann drückte sie den Kopf nach unten, beobachtete dabei ihren Hals, wo sich durch die Haltung zwangsläufig Falten bildeten, die allerdings sofort wieder verschwanden, als sie den Kopf senkte.
Es war alles
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