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Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Stuart
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auf einen niedrigeren Ast, und die beiden blauen Augenbrauenfedern, die doppelt so lang waren wie der gesamte Körper, schwangen anmutig durch die Luft. Der winzige Fledermauspapagei, der kopfüber an seinem Ast hing und schlief, öffnete ein Auge und beobachtete, wie der Wärter der Königlichen Menagerie die Maschendrahttür öffnete und die Voliere betrat. Sofort glitt das Lovebird-Weibchen von seinem Ast und ließ sich auf seiner Schulter nieder. Der Beefeater hielt Ausschau nach den verräterischen hässlichen Füßen und entdeckte den Wanderalbatros schließlich hinter einem Baumkübel, die schwarz-weißen Flügel eng angelegt. Er setzte sich neben ihn und zog den Leckerbissen aus der Tasche, den er gekauft hatte. Unter dem wachsamen einäugigen Blick des Fledermauspapageis packte er ihn aus, legte den Bio-Tintenfisch flach auf seine Hand und bot ihn dem melancholischen Vogel an. Das abgemagerte Wesen schaute aber nicht einmal hin. Beefeater und Albatros blieben, wo sie waren, starrten in die Ferne und sahen beide nichts als ihr Problem. Erst eine Stunde später, als der Fledermauspapagei längst wieder eingeschlafen war, reckte der Vogel ein wenig seinen Hals und knabberte mit seinem riesigen krummen Schnabel an dem Geschenk herum. Als er alles gefressen hatte, stand Balthazar Jones auf. Der Vogel tat es ihm nach, schüttelte sein Gefieder und ließ einen wässrigen Klecks fallen. Der Beefeater öffnete die Einkaufstasche und zog eine weiße Spielzeugente heraus, die unter allem, was er gesehen hatte, am ehesten einem Albatros glich. Bevor er aufbrach, ließ er sie in der Nähe des Vogels liegen.
    In der Dämmerung ging er zum Salt Tower zurück, aber nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, fühlte er sich zu schwach, um die feuchten Stufen zum leeren Wohnzimmer hochzusteigen. Er setzte sich im Dunkeln auf die staubige unterste Stufe und stützte seine behaarten weißen Wangen in die Fäuste. Sofort wanderten seine Gedanken zu seiner Frau, und er verfluchte sich, weil er sie verloren hatte. Kurz dachte er darüber nach, sie anzurufen, aber seine Überzeugung, dass er sie nicht verdient hatte, vertrieb den Gedanken sofort wieder. Schließlich erhob er sich. Als er nach dem Lichtschalter suchte, streiften seine Finger den Riegel an der Tür zu Milos Zimmer, das er seit dem schrecklichen, schrecklichen Tag nicht mehr betreten hatte. Ein plötzlicher Drang überkam ihn, und er drückte den Riegel hinunter. Das Quietschen hallte in der Dunkelheit wider. Er schob die Tür auf, tastete auf der Suche nach dem Lichtschalter über die raue Wand und schirmte sich dann, bis er sich an die Helligkeit gewöhnt hatte, mit der Hand die Augen ab.
    Es dauerte eine Weile, alles in sich aufzunehmen. An der Wand über dem ordentlich gemachten Bett hing die Weltkarte, die irgendwann das Dinosaurierposter ersetzt hatte, das er seinem Sohn im Naturhistorischen Museum gekauft hatte, um ihm die Eingewöhnung in sein neues Zuhause zu erleichtern. Er betrachtete das schwarze Kreuz, mit dem Milo die Mündung des Orinoco markiert hatte, wo sein Lieblingsgefangener Sir Walter Raleigh zu seiner Suche nach dem Eldorado aufgebrochen war. Auf der Kommode stand der Schwingspiegel, den der Beefeater in einem Antiquitätenladen entdeckt und trotz des schwindelerregenden Preises sofort gekauft hatte, denn so war es ihm erspart geblieben, an den runden Wänden einen Spiegel aufzuhängen. Daneben stand ein Flakon Aftershave, obwohl der Junge sich noch gar nicht rasieren musste, was Hebe Jones als besten Beweis dafür interpretiert hatte, dass er in Charlotte Broughton verliebt war.
    Er trat zur Kommode, nahm die Bürste und berührte die schwarzen Haare, die sich darin verfangen hatten. Ihm fiel ein, wie er zu Milo gesagt hatte, dass er hoffentlich die Gene seiner Mutter geerbt habe und nicht so schnell ergrauen würde wie er. Am Bücherregal beugte er sich vor, um die Titel auf den Buchrücken zu lesen. Als er vor den Harry-Potter-Romanen eine Streichholzschachtel liegen sah und sie aufschob, erkannte er sofort das Fünfzig-Pence-Stück, das mit beinahe tödlichem Ausgang durch den Darm des Jungen gereist war. Dann nahm er den Ammoniten, rieb ihn zwischen den Fingern und dachte an Milos Begeisterung, als er ihn gefunden hatte. Nachdem er ihn ins Regal zurückgelegt hatte, entdeckte er zwischen zwei Büchern ein Foto und zog es heraus. Als er Charlotte Broughton lächelnd auf den Zinnen stehen sah, ging ihm auf, dass seine Frau recht

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