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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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er sein Gewerbe nicht so offensichtlich zur Schau stellen wollte.
    Unser Eintopf wurde in flachen Steingutschüsseln serviert. Ich entdeckte am Rand von meiner ein Muster von Eidechsen und Blüten, die einander rundherum jagten. Die Eidechsen konnte ich in dieser dürren Gegend verstehen, doch die Blüten mussten aus meiner Heimat sein, denn hier würde niemand welche zwischen all den Dornen und Steinen finden.
    Die dunkelbraune Brühe in den Schüsseln schmeckte fast bitter. Sie war mit einer kleinen glänzenden Nuss zubereitet worden, die ich einfach mit dem Löffel teilen konnte. Statt des gewohnten Reis schwammen Körner in der Suppe, dazu ein paar Blätter und Stücke von weißlichem Fleisch, das wie die Grabenfrösche schmeckte.
    »Fisch.« Der Madenmann lächelte. Das Lächeln wirkte grausig in seinem bleichen Gesicht. »Es ist immer gut, wenn man sich am Ende des Tages den Magen füllen kann.«
    »Fisch«, wiederholte ich höflich und wünschte, ich hätte eine Banane.
    Als er fast fertig gegessen hatte, schob er seine Schüssel zwischen uns. Ein dunkelgrünes Malvenblatt schwamm in dem Rest der braunen Brühe. »Ich habe das richtige Wort von der Herbergsfrau erfahren«, sagte er fast ein wenig stolz. »Boot. Siehst du das Malvenblatt? Es ist wie ein Boot.«
    »Malven wachsen in deinem Meer?«
    Der Madenmann seufzte. »Ich versuche dir zu erklären, warum du nicht zu schwimmen brauchst.«
    »Wegen Malven bin ich noch nie geschwommen.« Ich stocherte nach dem Blatt. »Taro schmeckt ohnehin besser.«
    »Holz schwimmt«, sagte er.
    »Ich auch.«
    »Wir werden auf einem Holzboot reisen, das wie dieses Malvenblatt in deiner Suppe schwimmt.«
    »Hast du nicht gesagt, das Meer besteht aus Wasser?«
    Er warf die Hände hoch und murmelte etwas zur Decke der Herberge empor. Dann sah er mich stirnrunzelnd an. »Es wird beängstigend werden, wenn du erst Petraeanisch sprichst.«
    Ich hatte nicht gewusst, dass es auch noch andere Arten von Worten auf der Welt gab. »Wird mein Vater auch Petraeanisch sprechen?«
    Ein Schatten verdüsterte seinen Blick. »Nein«, sagte er knapp. »Wir müssen weiter. Es wird noch ein paar Stunden dauern, ehe wir den Hafen erreichen.«
    Ich folgte dem Madenmann in die zunehmende Dunkelheit der Nacht; dabei begann ich, über meine eigenen Füße zu stolpern. Es war besonders schwierig, Schritt zu halten, wenn die Straße eine scharfe Biegung machte, oder sich am steilen Hang einer Schlucht entlangwand.
    Der Madenmann achtete nicht auf mich. Sein Gestank war in der Nachtluft verflogen. Stattdessen hatte ich den Geruch von Salz in der Nase, und von einer Fäulnis, die ich nicht kannte.
    Ich war entschlossen, nach Hause zu gehen. Als ich wieder stolperte, ließ ich mich zu Boden fallen. Das grüne Band rutschte von meinem Handgelenk. Ich sprang von der Straße und rannte davon.
    Der Madenmann war schneller, als ich ihm zugetraut hätte. Er hatte mich mit einem Dutzend Schritten eingeholt und mich hochgehoben, während ich strampelte und schrie. Dann schlug er mich mit einer Hand kräftig auf den Mund.
    »Lauf nicht weg von mir.« Seine Stimme war jetzt hart und unerbittlich. »Dein Weg ist festgelegt. Er führt vorwärts an meiner Seite. Es gibt kein Zurück.«
    »Ich gehe heim.« Ein betrübtes Lächeln glitt über sein Gesicht. »Du hast …« Er suchte nach einem Wort, gab es aber auf und sagte stattdessen: »Kämpfen kannst du. Du bist kräftig und mutig, im Gegensatz zu den meisten Mädchen.«
    »Ich will nicht kämpfen. Ich will nach Hause.«
    Er hielt mich in festem Griff. Zusammen drehten wir uns um und blickten auf die Straße zurück. »Wie weit würdest du wohl kommen in diesem steinigen und dornigen Land? Wenn nicht mit meinem Wasser, womit hättest du wohl deinen Durst gestillt?«
    Ich würde den Schweiß von meinen Händen lecken, dachte ich, aber der schmerzhafte Schlag seiner Hand war eine harte Lektion, die mir die Lippen verschloss. »Ich gehe mit dir zu deinem Meer«, sagte ich widerwillig. »Aber dann gehe ich nach Hause.«
    »Du kommst mit mir zu meinem Meer«, stimmte er zu. Mehr sagte er nicht.
    Ziemlich spät am Abend fanden wir ein Gasthaus. Ich war schließlich aus purer Erschöpfung zu Boden gefallen. Den letzten Teil des Weges brachte ich über der Schulter des Madenmannes hängend hinter mich. Der Mond überzog das nächtliche Land mit einem Silberschimmer.
    Er hatte bereits ein kleines Zimmer genommen, wie ich viel später begriff. Wir durchquerten eine große

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