Der verbotene Turm
erotische Träume von seiner eigenen Frau hatte? Er glaubte es nicht. Damon war nicht dabei gewesen, aber er. Und er wußte, was geschehen war, auch wenn er es nicht erklären konnte. Außerordentlich froh war er, daß Callista nichts geschehen war, obwohl er auch das nicht verstand.
An diesem Abend beim Dinner sagte Dom Esteban in bedrücktem Ton: »Ich muß immerzu darüber nachdenken … glaubt ihr, Domenic geht es gut? Ich habe das Gefühl, er wird bedroht, es ist etwas Böses in seiner Nähe …«
»Unsinn, Vater«, meinte Ellemir tröstend. »Erst heute Morgen hat uns Dom Kieran erzählt, er sei glücklich und wohlauf und von ihn liebenden Freunden umgeben und er erfülle seine Pflichten nach besten Kräften. Sei nicht töricht!«
»Du hast wohl Recht«, sagte der alte Mann, aber er blickte weiter beunruhigt drein.
»Ich wünschte, er wäre zu Hause.«
Damon und Ellemir tauschten erschreckte Blicke. Wie alle Altons hatte Dom Esteban gelegentlich eine blitzartige Vorausschau. Die Götter mögen es geben, daß er sich unnütz Sorgen macht, dachte Damon, und nicht die Zukunft sieht. Der alte Mann war verkrüppelt und krank. Wahrscheinlich grübelte er nur.
Aber Damon fing selbst an, sich Sorgen zu machen, und konnte nicht mehr damit aufhören.
17
Die ganze Nacht donnerten durch Damons Träume Pferdehufe. Sie galoppierten auf Armida zu und brachten schlechte Nachrichten. Ellemir zog sich an und wollte hinuntergehen, um wie immer am Morgen die Arbeit in der Küche zu beaufsichtigen. Bei dieser Schwangerschaft spürte sie nichts von den Übelkeiten und Beschwerden ihrer ersten. Plötzlich wurde sie blaß und schrie auf. Damon eilte zu ihr, aber sie stieß ihn zur Seite und rannte die Treppe hinunter, in die Halle und hinaus auf den Hof. Dort stand sie barhäuptig an den großen Toren, das Gesicht bleich wie der Tod.
Damon, von einer bösen Vorahnung gepackt, folgte ihr und flehte: »Ellemir, was ist? Liebes, du darfst hier nicht so stehen bleiben …«
»Vater«, flüsterte sie. »Es wird unsern Vater umbringen. Oh, gesegnete Cassilda, Domenic, Domenic!«
Er führte sie mit sanfter Gewalt zum Haus zurück, durch den feinen morgendlichen Sprühregen. Gleich innerhalb der Tür stießen sie auf Callista, die blaß und besorgt aussah, und einen sehr nervösen Andrew. Callista suchte das Zimmer ihres Vaters auf. Sie sagte ruhig: »Alles, was wir jetzt tun können, ist, bei ihm zu bleiben, Andrew.« Andrew und Damon standen dicht neben dem alten Mann, während sein Leibdiener ihn ankleidete. Damon half, ihn behutsam in den Rollstuhl zu setzen. »Lieber Onkel, wir können nur auf eine Nachricht warten. Aber was auch kommen mag, denke daran, daß du noch Söhne und Töchter hast, die dich lieben und dir nahe sind.«
In der Großen Halle kam Ellemir und kniete sich weinend neben ihren Vater. Dom Esteban streichelte ihr glänzendes Haar und sagte heiser: »Kümmere dich um sie , Damon, mach dir keine Sorgen um mich. Wenn … wenn ein Übel Domenic befallen haben sollte, ist das Kind, das du trägst, Ellemir, nach Valdir der nächste Erbe von Alton.«
Die Götter mögen uns allen helfen, dachte Damon, denn Valdir war noch keine zwölf Jahre alt! Wer würde die Garde befehligen? Sogar Domenic galt als zu jung dafür!
Andrew dachte, daß sein Sohn, Ellemirs Kind, Erbe der Domäne sein würde. Der Gedanke erschien ihm von so wilder Unwahrscheinlichkeit, daß er von hysterischem Gelächter geschüttelt wurde.
Callista drückte dem alten Dom ein kleines Glas in die Hand. »Trink das, Vater.«
»Ich will keine von deinen Drogen! Ich will nicht eingelullt werden und in Schlaf fallen, bevor ich weiß …«
»Trink es!« befahl sie, blaß und zornig vor ihm stehend. »Es soll nicht deine Wahrnehmungsfähigkeit herabsetzen, sondern dich stärken. Du wirst heute alle deine Kraft brauchen!«
Widerwillig schluckte der alte Mann den Trank. Ellemir stand auf. »Die Hausleute und Arbeiter sollen nicht hungern, weil wir Leid tragen. Ich will gehen und mich um das Frühstück kümmern.«
Sie brachten den alten Mann an den Tisch und drängten ihn, etwas zu essen, aber keiner von ihnen konnte viel hinunterbringen. Andrew strengte sich an, über die Reichweite seiner Ohren hinaus etwas zu vernehmen, den Boten zu hören, der die Kunde bringen würde, von der sie jetzt überzeugt waren.
»Da ist es.« Callista legte ein Stück Butterbrot hin und stand auf. Ihr Vater, sehr bleich, aber wieder ganz Herr seiner selbst,
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