Der verbotene Turm
seinen Namen, aber ich habe ihn vergessen …«
»Andrew Carr«, sagte Damon. Sie ritten Seite an Seite auf Armida zu. Ihre Begleiter und Leonies Dame folgten in achtungsvoller Entfernung. Die große rote Sonne hing niedrig am Himmel und warf trübes Licht auf die Gipfel der Kilghardberge hinter ihnen. Im Norden begannen sich Wolken zu sammeln, und ein kühler Wind blies von den fernen, unsichtbaren Höhen der Hellers herab.
»Ich bin mir auch heute noch nicht sicher, wie alles begann«, antwortete Damon nach einer Pause. »Ich weiß nur, als Callista von den Katzenwesen entführt wurde und voller Angst als Gefangene allein in den dunklen Höhlen von Corresanti lag, konnte keiner ihrer Verwandten ihren Geist erreichen.«
Leonie erschauerte und zog sich die Kapuze fester ums Gesicht. »Das war eine schreckliche Zeit.«
»Das war es. Und irgendwie geschah es, daß Andrew Carr, dieser Terraner, eine gedankliche Verbindung zu ihr herstellte. Bis zu diesem Tag kenne ich nicht alle Einzelheiten, aber er allein konnte ihr in ihrem Kerker Gesellschaft leisten, er allein konnte ihren Geist erreichen. Und so kamen sie sich mit Herz und Verstand näher, obwohl sie sich im Fleisch niemals gesehen hatten.«
Leonie seufzte. »Ja, solche Bande können stärker sein als die Bande des Fleisches. Und so lernten sie sich lieben, und als sie gerettet worden war, trafen sie sich –«
»Das meiste hat Andrew zu ihrer Rettung getan«, berichtete Damon, »und jetzt haben sie sich einander angelobt. Glaub mir, Leonie, das ist keine Phantasterei, die aus der Furcht eines eingekerkerten Mädchens oder dem Begehren eines einsamen Mannes geboren wurde. Callista erzählte mir, bevor ich ins Feld zog, sie werde, sollte sie ihres Vaters und deine Zustimmung nicht erringen können, Armida und Darkover verlassen und mit Andrew zu seiner Welt gehen.«
Leonie schüttelte kummervoll den Kopf. »Ich habe die terranischen Schiffe auf dem Raumhafen bei Thendara liegen sehen. Und mein Bruder Lorill, der dem Rat angehört und mit den Terranern zu tun hat, sagt, sie scheinen in jeder Beziehung Menschen wie wir zu sein. Aber eine Ehe, Damon? Ein Mädchen von diesem Planeten, ein Mann von irgendeinem anderen? Selbst wenn Callista keine Bewahrerin wäre und kein Gelübde abgelegt hätte, wäre eine solche Ehe befremdlich und ein Risiko für beide.«
»Ich glaube, das wissen sie, Leonie. Und trotzdem sind sie entschlossen.«
»Ich habe immer die sehr starke Überzeugung gehabt«, meinte Leonie mit einer Stimme, die wie von weit her klang, »daß eine Bewahrerin niemals heiraten sollte. So habe ich mein ganzes Leben lang empfunden, und danach habe ich gelebt. Wäre dem nicht so gewesen …« Sie sah kurz zu Damon hoch, und der Schmerz in ihrer Stimme erschreckte ihn. Er versuchte, sich dagegen abzuschirmen. Ellemir , dachte er, als sei der Name ein Schutzzauber. Doch Leonie fuhr seufzend fort: »Trotzdem, ich würde Callista nicht zwingen, sich nach meinem Glauben zu richten, wenn sie von tiefer Liebe zu einem Mann ihres eigenen Clans und ihrer eigenen Kaste erfüllt wäre. Dann würde ich sie bereitwillig freigeben. Nein …« Leonie unterbrach sich. »Nein, nicht bereitwillig, weil ich weiß, welche Schwierigkeiten auf eine Frau warten, die als Bewahrerin eines Matrix-Kreises ausgebildet und konditioniert ist. Nicht bereitwillig. Aber freigegeben hätte ich sie, und da mir dann nichts anderes übrig bliebe, hätte ich sie dem Bräutigam mit Anstand übergeben. Aber wie kann ich sie einem Fremden übergeben, einem Mann von einer anderen Welt, der nicht einmal auf unserm Boden, unter unserer Sonne geboren ist? Der Gedanke erfüllt mich mit eisigem Entsetzen, Damon! Mich schaudert es dabei.«
Langsam antwortete Damon: »So habe ich anfangs auch empfunden. Aber Andrew ist kein Fremder. Mein Verstand weiß, daß er auf einer anderen Welt geboren ist, die um die Sonne eines anderen Himmels kreist, um einen fernen Stern, der von hier aus nicht einmal ein Lichtpünktchen an unserm Himmel ist. Dennoch ist er nicht unmenschlich, ist kein Ungeheuer, das sich als Mensch maskiert. Er ist in Wahrheit einer von unserer eigenen Art, ein Mann wie ich. Er mag uns fremd sein, aber fremdartig ist er nicht. Ich sage dir, Leonie, ich weiß es. Sein Geist ist mit meinem verbunden gewesen.« Unbewußt legte Damon seine Hand auf den Matrix-Kristall, den auf Psi-Kräfte reagierenden Stein, den er in einem isolierenden Beutel um den Hals trug. Er setzte hinzu: »Er hat Laran
Weitere Kostenlose Bücher