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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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gebracht hatte. Die meisten schliefen noch, von Drogen betäubt, aber Raimon war wach. Seine Augen glänzten vor Fieber, sein Gesicht war rot und schmerzgequält.
    Damon sagte freundlich: »Wir sind gekommen, um für dich zu tun, was wir können, mein Freund.«
    Er entblößte die Matrix in seinen Händen. Der Mann zuckte zusammen.
    »Zauberei«, murmelte er. »Diese Dinge sind für die Hali’imyn …«
    Damon schüttelte den Kopf. »Eine Fertigkeit, die jeder, dem die Begabung dazu angeboren ist, ausüben kann. Andrew hier ist weder als Comyn geboren noch von der Rasse Cassildas, und doch ist er zu dieser Arbeit fähig und hilft uns.«
    Raimons fieberglänzende Augen hefteten sich auf die Matrix. Damon sah, wie sein Gesicht sich verzerrte. Trotz seines immer stärker werdenden euphorischen Rapports mit dem Stein gelang es ihm, sich so weit davon loszulösen, daß er dem anderen raten konnte: »Sieh nicht direkt in die Matrix, Freund, denn du bist darin nicht geschult, und sie wird deinen Augen und deinem Gehirn wehtun.«
    Der Mann wandte die Augen ab und machte eine abergläubische Geste. Von neuem ärgerte Damon sich, aber er ließ es sich nicht anmerken. »Leg dich hin, versuche zu schlafen, Raimon«, sagte er, und dann befahl er: »Dezi, gib ihnen noch eine Dosis von Ferrikas Schlafmittel. Wenn sie schlafen, während wir arbeiten, können sie uns nicht dazwischenpfuschen.« Wenn sie schliefen, empfanden sie keine Angst, und ängstliche Gedanken konnten die behutsame, delikate Arbeit des Helfens stören.
    Ein Jammer, daß Ferrika diese Arbeit nicht lernen konnte, dachte Damon. Er hätte gern gewußt, ob sie nicht doch eine Spur von Laran besaß. Wenn zu ihren medizinischen Kenntnissen noch die Fähigkeit käme, eine Matrix zu benutzen, würde sie für alle Menschen auf dem Gut von unschätzbarem Wert sein.
    Das ist die Aufgabe, die Callista übernehmen sollte, statt sich um Dinge zu kümmern, die jede dumme Hausfrau tun kann! dachte er.
    Raimon schluckte das Schlafmittel und sank benommen in seine Kissen. Nun faßte Damon vorsichtig mit seinen Gedanken nach ihm und nahm die Fäden des Kontakts auf. Andrew, der seine Matrix im Rhythmus seines Atems aufleuchten sah, spürte, wie Damon zufaßte und sein Bewußtsein auf ihn, Andrew, und Dezi richtete. Andrew hatte den subjektiven Eindruck – obwohl Damon sich nicht bewegte und die beiden anderen nicht berührte –, als stütze er sich auf sie und senke dann seine Wahrnehmungsfähigkeit in den Körper des Verletzten. Andrew nahm die Spannung in dem zerstörten Fleisch wahr, die zerrissenen Blutgefäße, das dicke, stockende Blut, das welke, breiige Gewebe, das wie gefrorenes und wieder aufgetautes Fleisch war. Er erlebte mit, wie Damon das alles erkannte, wie er es mit etwas Ähnlichem wie gedanklichen Fingern untersuchte, die durch Fasernbündel verlaufenden beschädigten Nerven in Knöcheln, Zehen, Flechsen, Sehnen … Da ist nicht viel zu machen . Als lägen sie unter seinen eigenen Fingerspitzen, fühlte Andrew die angespannten Sehnen, fühlte, wie sie sich unter Damons Berührung lockerten, fühlte von neuem Impulse durch die zerrissenen Fibern strömen. Die Oberfläche der Fibern würden niemals mehr völlig verheilen, aber wenn sich wieder Impulse in ihnen bewegten, kehrte das Gefühl zurück. Damon zuckte unter dem Schmerz in den wiederhergestellten Nervenfasern zusammen. Nur gut, daß ich Raimon das Schlafmittel habe geben lassen; in wachem Zustand hätte er die Qual nicht ausgehalten . Dann begann er, mit leisen, rhythmischen Anstößen die Zirkulation in den von dickem Blut beinahe verstopften Arterien und Venen wieder in Gang zu setzen. Andrew spürte, daß Damon, voll konzentriert auf die delikate Arbeit in tiefen Zellschichten, zögerte und schwankte. Sein Atem ging stoßweise. Dezi griff ein und regulierte Damons Herzschlag. Andrew fühlte sich selbst hinauslangen – das Bild in seinem Geist war das eines Felsens, der hinter Damon stand und ihm eine Stütze bot, und er war sich bewußt, daß etwas sie umgab. Mauern? Dicke Mauern, die sie einschlossen? Kam es darauf an? Er dachte nur noch daran, Damon Kraft zu leihen, und mit geschlossenen Augen sah er, daß der geschwärzte Fuß langsam die Farbe veränderte, sich rötete, blaß wurde. Endlich öffnete Damon aufseufzend die Augen. Bis auf einen dünnen, sie verbindenden Faden ließ er den Rapport fallen. Er beugte sich über Raimon, der in tiefem Schlaf lag, und berührte die Füße behutsam mit den

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