Der verbotene Turm
Leben der Menschheit, verbringen können, nicht verbringen wollen . Und doch könnten sie all das tun.« Damon ließ sich wieder neben Ellemir niedersinken. Er war erschöpfter als nach der Schlacht, in der er zusammen mit der Garde gekämpft hatte. »Es braucht einer nicht Comyn zu sein oder enorme Fähigkeiten zu haben, um diese Dinge zu tun. Jeder mit einem bißchen Laran könnte dazu ausgebildet werden, zu helfen, zu heilen – und niemand tut es!«
»Aber Damon«, wandte Ellemir vernünftig ein, »ich habe immer gehört – auch Callista hat es mir erzählt –, daß es gefährlich ist, diese Kräfte außerhalb eines Turms einzusetzen.«
»Blödsinn!« rief Damon aus. »Bist du so abergläubisch, Elli? Du bist selbst in Kontakt mit Callista gewesen. Hast du es so gefährlich gefunden?«
»Nein«, antwortete sie unsicher, »aber im Zeitalter des Chaos wurde mit den großen Matrix-Schirmen so Schreckliches getan, wurden so fürchterliche Waffen hergestellt – Feuer- und Windgeschöpfe, die Mauern und ganze Burgen niederrissen, und Kreaturen aus anderen Dimensionen, die im Land umherwanderten! Deshalb wurde doch damals das Gesetz erlassen, Matrix-Arbeit dürfe nur in den Türmen und nur unter Sicherheitsvorkehrungen getan werden.«
»Die Zeiten sind vorbei, Ellemir, und die meisten dieser grauenhaften illegalen Matrix-Waffen wurden im Zeitalter des Chaos oder in den Tagen Varzils des Guten zerstört. Glaubst du wirklich, nur weil ich die erfrorenen Füße von vier Männern geheilt und ihnen den Gebrauch ihrer Glieder zurückgegeben habe, sei es wahrscheinlich, daß ich ein Feuergeschöpf zur Verwüstung des Waldes aussende oder ein Höllending rufe, das Mehltau über die Felder bringt?«
»Nein, nein, natürlich nicht!« Sie setzte sich auf und streckte die Arme nach ihm aus. »Leg dich hin, ruh dich aus, mein Liebster, du bist so müde.«
Er ließ sich von ihr beim Auskleiden helfen und legte sich neben sie, aber hartnäckig fuhr er in der Dunkelheit fort:
»Elli, an dem Gebrauch, den wir hier auf Darkover von unsern Telepathen machen, ist etwas falsch. Entweder müssen sie ihr ganzes Leben wohlbewacht in den Türmen verbringen und sind kaum noch menschlich – du weißt, daß es mich beinahe vernichtete, als ich aus Arilinn weggeschickt wurde –, oder sie müssen alles fortwerfen, was sie gelernt haben. Wie Callista – Evanda erbarme sich ihrer«, setzte er, der immer noch in lockerem Kontakt mit Andrew stand, hinzu. Denn Andrew blickte soeben auf die schlafende Callista nieder, deren Gesicht noch immer Tränenspuren zeigte. Damon fuhr fort: »Sie mußte alles aufgeben, was sie je gelernt hat, alles, was sie je getan hat. Sie hat Angst, anders zu handeln. Es mußte eine Möglichkeit geben, Elli!«
»Damon, Damon!« Sie drückte ihn fest an sich. »So ist es immer gewesen. Die Turmleute sind weiser als wir; sie werden wissen, aus welchem Grund sie das verlangen!«
»Da bin ich mir nicht so sicher.«
»Jedenfalls können wir im Augenblick nichts dagegen tun, mein Liebster. Du mußt dich jetzt beruhigen und schlafen, sonst wirst du sie aufregen.« Damit nahm sie Damons Hand und legte sie an ihren Leib. Damon wußte wohl, daß sie nur versuchte, ihn abzulenken, ging jedoch bereitwillig darauf ein. Lächelnd nahm er die formlosen, zufälligen Emanationen – noch nicht zu Gedanken geworden – des ungeborenen Kindes in sich auf. » Sie , sagst du?«
Ellemir lachte leise und glücklich. »Ich kann dir nicht sagen, woher ich es weiß, aber ich bin überzeugt davon. Vielleicht eine kleine Callista?«
Damon dachte: Ich hoffe, ihr Leben wird glücklicher sein. Ich will nicht, daß Arilinn die Hand auf eine Tochter von mir legt … Dann erschauerte er. In einer blitzartigen Vorausschau sah er eine schlanke rothaarige Frau in dem karminroten Gewand einer Bewahrerin von Arilinn … Sie riß es vom Halsausschnitt bis zum Saum auf und warf es beiseite … Damon blinzelte. Es war vorbei. Vorausschau? Oder war es eine Halluzination gewesen, eine Dramatisierung seiner eigenen Unruhe? Er zog seine Frau und sein Kind in seine Arme und versuchte, das Bild für alle Zeiten zu verbannen.
7
Die Männer mit den Erfrierungen erholten sich, aber solange sie krank waren, fiel Andrew mehr körperliche Arbeit als sonst zu. Das Wetter war milder geworden, Dom Esteban versicherte ihnen jedoch, das sei nur eine Pause, und dann würden erst die richtigen Winterstürme von den Hellers herabfegen und die Vorberge für Monate
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