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Der Verdacht

Der Verdacht

Titel: Der Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Wagen neben dem Judenfriedhof auf den kleinen Affen wartete, ob er es schaffen würde. Aber so ein Teufel, der keine achtzig Zentimeter mißt, schafft lautlos und vor allem unsichtbar. Nach zwei Stunden schon kam er im Schatten der Bäume angehüpft. Sie, Herr Kommissär, werde ich selbst zu übernehmen haben. Das wird nicht schwer sein, wir können uns die für Sie doch wohl peinlichen Worte ersparen. Aber was, um Gottes willen, machen wir nun mit unserem gemeinsamen Bekannten, mit unserem lieben alten Freund, dem Doktor Samuel Hungertobel am Bärenplatz?»
    «Wie kommen Sie auf den?» fragte der Alte lauernd.
    «Er hat Sie ja hergebracht.»
    «Mit dem habe ich nichts zu schaffen», sagte der Kommissär schnell.
    «Er telefonierte jeden Tag gleich zweimal, wie es seinem alten Freund Kramer denn auch gehe, und verlangte Sie zu sprechen», stellte Emmenberger fest und runzelte bekümmert die Stirne.
    Bärlach sah unwillkürlich nach der Uhr über den Glasschränken.
    «Gewiß, es ist Viertel vor elf», sagte der Arzt und betrachtete den Alten nachdenklich, aber nicht feindschaftlich. «Kommen wir auf Hungertobel zurück.»
    «Er war aufmerksam zu mir, bemühte sich um meine Krankheit, hat aber nichts mit uns beiden zu schaffen», entgegnete der Kommissär hartnäckig.
    «Sie haben den Bericht unter Ihrem Bild im ‹Bund› gelesen?»
    Bärlach schwieg einen Augenblick und dachte nach, was denn Emmenberger mit dieser Frage wolle.
    «Ich lese keine Zeitungen.»
    «Es hieß darin, mit Ihnen sei eine stadtbekannte Persönlichkeit zurückgetreten», sagte Emmenberger, «und trotzdem hat Sie Hungertobel unter dem Namen Blaise Kramer bei uns eingeliefert.»
    Der Kommissär gab sich keine Blöße. Er habe sich bei ihm unter diesem Namen angemeldet, sagte er.
    «Auch wenn er mich einmal gesehen hätte, konnte er mich kaum wiedererkennen, da ich durch die Krankheit verändert worden bin.»
    Der Arzt lachte. «Sie behaupten, Sie seien krank geworden, um mich hier auf dem Sonnenstein aufzusuchen?»
    Bärlach gab keine Antwort.
    Emmenberger sah den Alten traurig an. «Mein lieber Kommissär», fuhr er fort, mit einem leisen Vorwurf in der Stimme. «Sie kommen mir in unserem Verhör auch gar nicht entgegen.»
    «Ich habe Sie zu verhören, nicht Sie mich», entgegnete der Kommissär trotzig.
    «Sie atmen schwer», stellte Emmenberger bekümmert fest.
    Bärlach antwortete nicht mehr. Nur das Ticken der Uhr war zu vernehmen, das erste Mal, daß es der Alte hörte. Nun würde ich es immer wieder hören, dachte er.
    «Wäre es nicht an der Zeit, einmal Ihre Niederlage zuzugeben?» fragte der Arzt freundlich.
    «Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig», antwortete Bär lach todmüde, indem er die Hände hinter dem Kopf hervorholte und sie auf die Decke legte. «Die Uhr, wenn nur die Uhr nicht wäre.»
    «Die Uhr, wenn nur die Uhr nicht wäre», wiederholte der Arzt des Alten Worte. «Was treiben wir uns im Kreise herum? Um sieben werde ich Sie töten. Das wird Ihnen die Sache soweit erleichtern, daß Sie den Fall Emmenberger-Bärlach unvoreingenommen mit mir betrachten können. Wir sind beide Wissenschaftler mit entgegengesetzten Zielen, Schachspieler, die an einem Brett sitzen. Ihr Zug ist getan, nun kommt der meine. Aber eine Besonderheit hat unser Spiel: Entweder wird einer verlieren oder beide. Sie haben Ihr Spiel schon verloren, nun bin ich neugierig, ob ich das meine auch verlieren muß.»
    «Sie werden das Ihre verlieren», sagte Bärlach leise.
    Emmenberger lachte. «Das ist möglich. Ich wäre ein schlechter Schachspieler, wenn ich nicht mit dieser Möglichkeit rechnete. Aber sehen wir doch genauer hin. Sie haben keine Chance mehr, um sieben werde ich mit meinen Messern kommen, und kommt es nicht dazu (wenn es der Zufall will), sterben Sie in einem Jahr an Ihrer Krankheit; doch meine Chance, wie steht es damit? Schlimm genug, ich gebe es zu: Sie sind ja schon auf meiner Spur!»
    Der Arzt lachte aufs neue.
    Dies scheine ihm Spaß zu machen, stellte der Alte erstaunt fest. Der Arzt kam ihm immer seltsamer vor.
    «Ich gebe zu, daß es mich amüsiert, mich wie eine Fliege in Ihrem Netz zappeln zu sehen, um so mehr, als Sie gleichzeitig in meinem Netz hängen. Doch sehen wir weiter: Wer hat Sie auf meine Spur gebracht?»
    Er sei von selbst darauf gekommen, behauptete der Alte.
    Emmenberger schüttelte den Kopf. «Gehen wir doch zu glaubwürdigeren Dingen über», sagte er. «Auf meine Verbrechen – um diesen populären Ausdruck zu

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