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Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Der vergessene Turm: Roman (German Edition)

Titel: Der vergessene Turm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Talmar
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nützen zu leugnen. Und er drohte, Anselma vor meinen Augen töten zu lassen, wenn ich nicht mit der Wahrheit herausrückte. ›Welche Wahrheit?‹, fragte ich. ›Wie stark euer Heer ist.‹ ›Wir haben kein Heer, und wir brauchen keins‹, rief ich, da er mir nicht glaubte. Da schlug er mich und ließ nach Anselma schicken, während sie mich zurückbrachten.
    Ich nehme an, mit ihr verfahren sie ebenso. Obwohl ich nicht weiß, was das alles soll. Sie sind grob und fackeln nicht lange, wenn ihr versteht. Es ist besser, sich nicht zu wehren und zu tun, was sie verlangen. Ich habe solche Angst um Anselma. Sie ist nicht mehr die Jüngste, wisst ihr, und ihre Knöchel schwellen schnell. Ich weiß nicht, was sie mit ihr machen, aber ich habe Angst um sie. Vor allem, wenn sie in ihrer Angst etwas Dummes macht.«
    Was das sein könnte, verriet Banavred nicht. Finn und Mellow wechselten einen ahnungsvollen Blick. Beide dachten sie an den Blutfleck in der Diele. »Am schlimmsten aber«, fuhr Banavred fort, dem der Blick entgangen war, »am schlimmsten ist der Hunger. Wasser stellten sie mir am ersten Tag in einem Eimer hin, und ich trinke nur so viel davon, wie ich muss. Aber an etwas Nahrhaftes haben sie nicht gedacht. Oder hielten es nicht für nötig. Hoffentlich geben sie Anselma etwas. Sie hat es doch so mit dem Magen. Ihr habt nicht zufällig etwas zum Essen dabei?«
    Mellow griff in seine Tasche und holte die Handvoll Möhren hervor, die er für Smod eingesteckt hatte. »Viel ist es nicht, Herr Banavred. Und warm ist es auch nicht, wie man bemängeln könnte. Aber besser als nichts ist es, würde ich sagen.«
    Sie sahen zu, wie der alte Vahit begierig in die Möhren biss und sie eine nach der anderen verschlang. Nach kurzer Zeit waren sie mitsamt allen Strünken verschwunden, und ein dankbarer Blick flog erst zu Mellow und dann zu Finn.
    »Nun mal zu uns   – wo sind wir hier?«, fragte Mellow. »Im Turm, sagst du?«
    »Im untersten Stockwerk des Acaeras, zu ebener Erde«, nickte Banavred. »Ihr könnt es nicht sehen   – aber über uns ist eine Falltür. Sie benutzen eine roh zusammengehauene Leiter, die sie herablassen, um herunter- oder hinaufzusteigen. Die Leiter liegt im ersten Stockwerk. Von allein kommen wir nicht aus diesem Verlies heraus.«
    Mellow erhob sich und starrte in die trübe Dunkelheit hinauf.
    »Dann«, sagte er, »war es wohl keine gute Idee, ohne Verstärkung hierherzukommen, was, Finn?« Er erwartete keine Antwort, und Finn hätte auch keine zu geben gewusst.
    Die ganze Ungeheuerlichkeit des Erlebten kam Finn erst jetzt zu Bewusstsein. Und nicht auf einmal, sondern erst nach und nach. Was hier geschah, war so weit fort von allem, was er kannte, war so entfernt vom Alltag des Hüggellandes   – er begriff weder, was er tun konnte, noch ahnte er auch nur, wie sie aus der Lage, in der sie sich befanden, jemals wieder herausfinden sollten. Sofern es überhaupt einen Ausweg gab. Erneut sah er den Blutfleck auf den Dielenbrettern vor sich und fragte sich, ob, nein, wo es wohl und wann   – vielleicht heute schon!   – einen weiteren Blutfleck geben würde, der von der Stelle kündete, an der man ihn niedergestochen oder enthauptet hatte. Finn tastete nach seinem Hals, der unter dem Kinn plötzlich schmerzte, und er spürte frischen Schorf dort, wo die Schwertspitze Saisárasars in die Haut eingedrungen war.
    Ihr beide seid des Todes , klangen ihm Saisárasars Worte wie ein Echo immer wieder im Ohr. Finn begriff weder, wie jemand überhaupt ein anderes Wesen absichtlich töten konnte, noch warum ein ihm völlig Fremder ausgerechnet seinen Tod wünschte.
    Alles, was er spürte, war eine namenlose und darum umso heftigere Angst, die unaufhörlich in ihn hineinkroch wie die klamme Kälte ihres steinernen Verlieses, und er wusste nicht, ob er wegen der einen oder der anderen zu zittern begann. Und dann wurde es ihm schlagartig klar: Das Böse des Waldes war beileibe kein Raubtier, sondern etwas weitaus Schlimmeres.
    Und es besaß sehr wohl einen Namen: Saisárasar.
    »So ein ausgemachter Mist!« Mellow schlug wütend mit der flachen Hand gegen die Wand, dass es klatschte. Es tat weh, und mit verkniffenem Gesicht rieb er seine Hand. »Wir sitzen ganz schön in der Patsche, damit ihr’s nur wisst; und alles nur, weil ich meinen Kopf nicht zum Denken benutzt habe! Ich sollte besser damit anfangen, ehe es zu spät ist!« Mellow ließ sich wieder an der Mauer hinabsinken und verfiel in dumpfes

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