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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zornigster Aufregung.
    »Mir Deinen Arm!« rief er seiner Tochter zu. »Und Sie, Herr Brandt, sind ein Undankbarer, der nicht werth ist, daß man ihn anblickt. Sie werden das Schloß niemals wieder betreten!«
    Alma wollte den Milchbruder in Schutz nehmen, mußte aber schweigen. Brandt wußte, was er dem Baron verdankte; er beherrschte sich also und sagte mit möglichst ruhiger Stimme:
    »Herr Baron, Sie werden bald einsehen, daß Sie mir unrecht thun. Ich habe mir nicht das mindeste vorzuwerfen. Adieu!«
    Er ging, um seine Eltern zu begrüßen und dann die Vorbereitungen für den Ueberfall der Schmuggler zu treffen.
    Dieser gelang vollständig. Es gab zwar bei der nächtlichen Finsterniß und dem Terrain der Tannenschlucht einen harten Kampf; doch die Grenzer siegten.
    Die beiden Schmuggler, welche heut von Brandt belauscht worden waren, hatten neben einander gekämpft; als sie sahen, daß Alles verloren sei, rief der Eine dem Anderen zu:
    »Fort! Der Helfensteiner ist Schuld! Ihm die versprochene Kugel!«
    Sie stürmten in den Wald hinein. Sie hatten ihren Anführer gemeint, der im Dorf Helfenstein wohnte. Sie lauerten ihn am Forstwege ab und schossen ihn dort nieder. Brandt hatte ihren Ruf vernommen und glaubte, daß der Baron von Helfenstein gemeint sei. Um ihn zu warnen, eilte er geraden Weges vom Kampfplatze nach dem Schlosse, wo man noch munter war, da man das Schießen gehört hatte. Ohne sich anmelden zu lassen, suchte er den Baron auf, den er noch wach fand.
    »Herr Baron,« sagte er; »soeben haben wir die Schmuggler besiegt. Zwei von ihnen wollen Sie erschießen. Ich melde Ihnen das, damit Sie Ihre Maßregeln treffen und sich vor einem Ueberfall schützen.«
    Nach diesen Worten eilte er fort! an der Zofe Ella und andern Dienstpersonen vorüber, denen er begegnete. Vom Kampfe war sein Anzug blutig geworden, was sie deutlich bemerkten.
    Aus dem zwischen Baron Franz und Ella verabredeten Stelldichein war nichts geworden, da das Schießen alle Bewohner des Schlosses wach gehalten hatte. Ella hatte Brandt, als er an ihr vorüber eilte, gefragt, was er wolle und er hatte geantwortet, daß der Herr Baron es bereits wisse. Sie machte sich einen Behelf, bei ihrem Herrn einzutreten, und fand diesen schreibend am Tische sitzen. Auf dem Rückwege traf sie den Cousin, welcher auch keine Ruhe zu haben schien. Er war am Abende noch einmal bei seinem Verwandten gewesen, um zu versuchen, einiges Geld zu erhalten, hatte aber eine streng abweisende Antwort erhalten. Seine Aufregung, seine Rachsucht hatten ihn hin und her getrieben, bis er jetzt auf die Zofe stieß.
    »Verdammt!« sagte er. »Jetzt sind wir um unsere Schäferstunde gekommen. Dieser Brandt konnte sein Schießen lassen. Vielleicht findet sich eine Kugel, die so klug ist, ihn selbst zu treffen!«
    »O, er lebt; er war soeben hier,« antwortete sie.
    »Hier? Nachdem ihm das Schloß verboten wurde, wie ich erfuhr? Was wollte er?«
    »Er kam vom gnädigen Herrn, war ganz voller Blut und schien es sehr eilig zu haben.«
    Er hustete, als ob er eine innere Erregung zu verbergen habe, und sagte:
    »Das ist sehr verdächtig! Na, meinetwegen! Gute Nacht, Ella!«
    Er gab ihr einen Kuß und ging. Er kam ihr so sonderbar vor; sie beschloß, ihn zu beobachten. Sie war doch schlauer als er. Sie ließ ihre Thüre nur angelehnt und sah später, daß er sein Zimmer verließ, sich vorsichtig umsah und dann sich zu seinem Verwandten begab. Nach einer Weile trat er dort wieder heraus, verschloß die Thür und zog den Schlüssel ab. Ohne Ahnung, daß er bemerkt worden sei, begab er sich in sein Zimmer. Ella hingegen trat in das Ihre zurück und verschloß dasselbe.
    »Es ist etwas geschehen!« dachte sie. »Aber was? Pah! Heute geht es mich nichts an, aber morgen! Ist es das, was ich denke, so bin ich Herrin der Situation und werde – Baronesse von Helfenstein!«
    Sie legte sich zwar schlafen, wurde aber von der stürmischen Bewegung ihres Innern verhindert, zur Ruhe zu kommen.
    Die Nacht verging, und der Morgen tagte. Im Schlosse gab es Mehrere, die nicht geschlafen hatten. Auch Alma war unter ihnen. Sie wußte, daß Gustav sich an dem Kampfe betheiligt habe; sie vermuthete, daß er mit den Grenzern den Kampfplatz während der Nacht besetzt habe. Sie mußte wissen, ob er lebe. Darum warf sie einen Mantel um und eilte in ihrer Besorgniß nach der Tannenschlucht. Sie empfand in ihrem Herzen ein heißes Wogen und Wallen, über welches sie sich noch keine klare Rechenschaft

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