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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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so sind ja der Diener und die Lehrlinge da.«
    Fritz folgte ihm nach dem wohlbekannten Zimmer. Dort setzten sie sich einander gegenüber und brannten sich eine Cigarre an. Strauch konnte seine Verlegenheit noch immer nicht verbergen. Seidelmann beobachtete ihn forschend und sagte dann: »Ich wollte Dich gern unter vier Augen haben, weil ich heute als Dein Beichtvater komme.«
    »Als mein Beichtvater? Du, der Ausgelassenste und Gottloseste von uns Allen? Das ist lustig!«
    »O, die Angelegenheit, in welcher ich komme, ist im Gegentheile außerordentlich ernst!«
    »Das klingt ja ganz bedrohlich! Und dazu macht der Mensch ein Gesicht, als ob er mich ganz criminaliter vornehmen wolle!«
    »So ist es auch! Du hast da ganz das richtige Wort getroffen: criminaliter! Es kann sich nämlich aus der betreffenden Angelegenheit für Dich ein schlimmer Criminalfall entwickeln.«
    Strauch erschrak.
    »Was Teufel!« rief er. »Was meinst Du denn eigentlich?«
    »Du wirst es sogleich hören. Ich hoffe auf alle Fälle, daß Du mich mit der reinen Wahrheit bedienen wirst.«
    »Wetter noch einmal! Sei nur nicht so feierlich, und sage doch lieber frank und frei heraus, um was es sich handelt!«
    »Um den gestrigen Abend.«
    »Ah!«
    »Warum kamst Du nicht?«
    »Weil ich krank war.«
    »Was fehlte Dir denn?«
    »Es lag mir überall, im Leibe, im Kopfe, in – in –«
    »Und in den Hosen,« fiel Fritz ein. »Das Herz war Dir in die Hosen gefallen; der Muth war Dir verloren gegangen. Gestehe es nur!«
    Strauch gab sich Mühe, ein möglichst unbefangenes Gesicht zu machen und sagte:
    »Der Muth? Ich verstehe Dich nicht!«
    »Lüge nicht! Verstelle Dich nicht, alter Freund! Damit kommst Du bei mir nicht weit!«
    »Der Teufel mag Dich begreifen! Ich war wirklich krank!«
    »Wie kam es aber dann, daß Dein Anzug vorhanden war?«
    »Ich habe davon gehört. Aber das ist auch Etwas, was ich nicht zu begreifen vermag.«
    »Du hast wirklich nicht gewußt, daß jener Mensch ihn für sich gebrauchen würde?«
    »Jener freche Webergeselle? Keine Ahnung davon!«
    »Nun, das will ich Dir glauben. Aber, daß Du krank warst, das ist und bleibt eine Lüge! Ich kann es Dir beweisen!«
    »So? Beweise es!«
    Er war wirklich überzeugt, daß Seidelmann ihm Nichts beweisen könne. Wie hätte es dieser auch wohl anfangen wollen? Fritz aber blickte ihm scharf in das Gesicht und fragte: »Hast Du den Brief noch?«
    »Welchen Brief?«
    »Vom Pascherkönig.«
    Da wurde Strauch bleich. Er war so erschrocken, daß er für einige Sekunden gar keine Worte fand, dann stammelte er: »Vom Pascherkönig? Bist Du toll?«
    »O nein! Ich bin sehr bei Sinnen.«
    »Du glaubst, daß ich mit dem Pascherkönig in Briefwechsel stehe?«
    »Ja. Ich glaube es nicht nur, sondern ich bin sogar sehr überzeugt davon, mein lieber Freund!«
    »Das wäre ja Wahnsinn!«
    »Allerdings. Ueberdies kommt es hier gar nicht darauf an, was ich glaube, sondern darauf, was die Polizei denkt.«
    Da sprang Strauch von seinem Sitze empor und rief:
    »Die Polizei? Herrgott! Was habe ich mit der zu schaffen?«
    »Bis jetzt noch nichts, aber sie kann aller Augenblicke kommen, um bei Dir Aussuchung zu halten.«
    »Da hört Alles auf! Die Polizei Aussuchung bei mir! Da wäre unser guter Ruf zum Teufel!«
    »Ja, mein Bester, zum Teufel!« lächelte Fritz überlegen.
    »Aber was will man denn bei mir suchen?«
    »Den Brief natürlich.«
    »Ich weiß doch von keinem Briefe Etwas?«
    »So weiß es die Polizei desto besser!«
    »Dann ist sie mehr als allwissend!«
    »Geh! Leugne nicht, sondern sei verständig! Ich komme als Freund, um Dich zu retten, um Dir einen Wink zu geben, der den Zweck hat, Dich vor einer Anzeige, einer Anklage oder gar, schlimmern Fall gesetzt, vor einer peinlichen Untersuchung zu bewahren.«
    Strauch starrte den Sprecher rathlos an. Er wußte nicht, was er machen solle. Fritz ahnte dies; darum sagte er.
    »Ich sehe ein, daß Du Dich zwischen der Charybdis und der Scilla befindest, aber ich wüßte auch, was ich an Deiner Stelle thun würde.«
    »Was denn?«
    »Meine Pflicht.«
    »Welche Pflicht meinst Du denn?«
    »Die Pflicht, Anzeige zu erstatten.«
    »Hole Dich der Teufel! Dann bin ich ein verlorener Mann!« platzte er heraus, ohne in seiner Verlegenheit einzusehen, daß er mit diesen Worten ein Geständniß ausgesprochen habe.
    Da klopfte ihm Fritz auf die Achsel und erklärte:
    »Schau, Alter, jetzt hast Du Dich vergaloppirt!«
    »Wieso?«
    »Du hast zugegeben, was ich erfahren

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