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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ausgeglichen und der Verlust ersetzt.«
    »Das ist jedenfalls das Richtige,« sagte Seidelmann, der Vater. »Wo haben wir die Waaren in Empfang zu nehmen?«
    »Am diesseitigen Ausgange des Haingrundes.«
    »Des Haingrundes? Wo wir erwischt wurden? Sapperment, das ist für uns ein überaus gefährlicher Ort!«
    »Ein sehr sicherer Ort im Gegentheile! Kein Mensch wird ahnen, daß wir uns gerade dahin wagen, und noch dazu nach so kurzer Zeit.«
    »Na, meinetwegen! Und wann?«
    »Nachts zwei Uhr. Das ist die beste Zeit.«
    »Mit wieviel Leuten schicken Sie die Waaren.«
    »Ungefähr zwanzig.«
    »So habe ich für ebenso viele zu sorgen.«
    »Haben Sie so Viele?«
    »Ah, vierzig und fünfzig, wenn es sein muß.«
    »So ist dieses Geschäft abgemacht. Die Rechnung geht direct an den Hauptmann, der Ihnen die Löhne und Ihren Gewinn auszuzahlen hat. Hier nun das Letzte: Sind Sie Herr August Seidelmann?«
    Der Fromme, an den diese Frage gerichtet war, bejahte dieselbe.
    »Es lag auch an Sie ein Brief mit bei. Hier ist er!«
    Der Vorsteher nahm und las dieses Schreiben. Es war ihm nicht anzusehen, ob es einen guten oder schlechten Eindruck auf ihn machte.
    »So schnell habe ich es nicht erwartet,« sagte er.
    »Was?«
    »Ich muß mit dem frühen Morgen abreisen.«
    »Schon? Wohin?«
    »Das habe ich nicht zu verrathen. Es giebt allüberall verirrte Schäflein, welche auf die Hilfe ihres Heilandes warten. Die Diener Gottes gehen nach Nord und Süd, nach Ost und West. Sie haben allezeit dem Befehle ihres Herrn zu gehorchen.«
    Winkler hob schnell den forschenden Blick zu ihm.
    »Ah!« sagte er. »Sind Sie vielleicht der Seidelmann, welcher zum Vorsteher der Gesellschaft der Seligkeit ernannt worden ist?«
    »Ja, der bin ich,« antwortete der Gefragte in salbungsvollem Tone. »Ich bin erkoren, die Seelen zurückzuführen, welche sich in die Wüste der Sünde und Gottlosigkeit verlaufen haben.«
    Da machte Winkler ein völlig undefinirbares Gesicht und sagte:
    »So bin ich überzeugt, mein verehrter, frommer Herr, daß man keinen Würdigeren erwählen konnte!«
    »Ja, der Allwissende erforscht die Herzen und Nieren der Menschen. Er erwählt sich nur Diejenigen zu Werkzeugen seiner Gnade und Barmherzigkeit, welche fest und treu im Glauben wandeln. Aber jetzt will ich mich zurückziehen. Da ich mit dem Frühesten abzureisen habe, so will ich noch einige Stunden der Ruhe pflegen.«
    Er ging. Winkler ließ sich die nöthigen Schreibrequisiten geben und nahm sie mit nach dem Schlafzimmer, welches ihm angewiesen wurde. Dort schrieb er einige Zeit und legte sich dann schlafen. Er kannte das Haus und seine Bewohner; er konnte hier so thun, als ob er kein Fremder wäre.
    Früh, nachdem er das Frühstück eingenommen hatte, legte er falsches Haar und falschen Bart an. Er war dies nicht so gewöhnt wie die Seidelmann’s; darum brachte er damit bis nahe an die Mittagszeit zu. Dann brach er mit Fritz nach der Amtsstadt auf.
    In der Nähe derselben angekommen, sagte er:
    »Wir werden uns hier trennen müssen. Ich gehe nach dem grauen Wolf, den ich nach Ihrer Beschreibung leicht finden werde. Und Sie begeben sich zu Strauch. Werden Sie ihn sprechen können?«
    »Sofort. Ich brauche nur in den Laden zu gehen.«
    »Und wo treffen wir uns dann?«
    »In irgend einer Restauration.«
    »Nicht im grauen Wolf?«
    »Nein. Man soll Sie dort nicht mit mir sehen. Oder, denken Sie, daß uns dies nicht schaden kann?«
    »Was soll es schaden? Man kennt Sie nicht. Und überdies lassen wir ja keinem Menschen hören, was wir besprechen. Sie kehren ja wohl dann auch mit mir zurück!«
    »Nein. Ich gehe von da direct heim.«
    »Mit falschem Haar und Bart?«
    »Beides werde ich unterwegs entfernen und Ihnen übermorgen – ah, morgen heißt es nun ja – durch die Pascher überbringen lassen.«
    Sie gingen auseinander. Fritz begab sich zu seinem Freunde, der ihn mit einiger Verlegenheit empfing.
    »Ah? Welches Gesicht machst Du mir?« fragte Seidelmann.
    »Gesicht? Doch mein gewöhnliches!«
    »O nein! Du bist verteufelt verlegen. Ich sehe es Dir an. Du hast wohl bereits gehört, was gestern geschehen ist?«
    »Hm! Ja! Verteufelte Geschichte!«
    »An welcher nur Du schuld bist.«
    »Ich? Das begreife ich nicht! Warum ich?«
    »Pah? Versuche nicht, Dich weiß zu waschen! Sind wir hier denn auch unbeobachtet?«
    »Fürchtest Du die Beobachtung?«
    »Ja. Ich habe mit Dir zu sprechen, und Niemand soll es hören.«
    »So komm mit hinüber in meine Stube. Kommen Käufer,

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