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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wird.«
    Er zog einige versiegelte Briefe und auch ein offenes Verzeichniß aus der Tasche. Das Letztere übergab er Seidelmann, dem Vater. Dieser las es durch, riß die Augen auf und sagte: »Donnerwetter! Das beträgt ja über fünfzigtausend Gulden!«
    »Ueber sechzigtausend sogar.«
    »Ist das nicht zu gewagt?«
    »Nein. Ich übernehme die Garantie. Sie haben es erst diesseits der Grenze in Empfang zu nehmen.«
    »Sind Sie so sicher, nicht erwischt zu werden, daß Sie die Garantie übernehmen wollen?«
    »Ja. Erst fühlte ich mich nicht sicher, nun ich aber mit Ihnen gesprochen habe, bin ich überzeugt, daß der Coup gelingen wird.«
    »Wieso!«
    »Morgen oder spätestens übermorgen bis Mittag wird Hauser erwischt. Er ist der Pascherkönig. Das wird der Polizei und den Grenzbeamten so viel zu thun geben, daß sie ihre Augen und Ohren nur bei ihm haben werden. Verstanden?«
    »Wie aber soll es herauskommen, daß Strauch den Brief erhalten hat?« fragte Fritz. »Wie ich ihn kenne, wird er es verschweigen.«
    »So ist es Ihre Sache, ihn zur Anzeige zu bewegen.«
    »Er wird das aus Angst vor dem Pascherkönig nicht thun.«
    »Das geht mich nichts an. Sie haben hier mitzuwirken. Wir sind gleich beteiligt. Ich nehme den Hauser auf mich, und so ist es gar nicht viel verlangt von mir, wenn ich erwarte, daß Sie Strauch, der doch Ihr Freund ist, auf sich nehmen. Sie gehen morgen mit mir nach der Amtsstadt. Dieser Weg muß, wenn wir überhaupt siegen wollen, unbedingt von Erfolg sein.«
    »Ich finde das ganz vernünftig,« meinte der ältere Seidelmann. »Aber ein Anderes ist mir unklar, mein bester Herr Winkler. Nämlich, wie kommt es, daß der Hauptmann in einer so wichtigen Angelegenheit Ihnen schreibt und nicht mir?«
    »Das sehen Sie nicht von selbst ein?«
    »Nein. Ich bin stets benachrichtigt worden, wenn ich handelnd eingreifen sollte. Warum nicht auch dieses Mal?«
    »Das ist doch sehr leicht zu begreifen. Man forscht hier nach dem Pascherkönige, also nach Ihnen; die Polizei, die Gerichte, die Grenzer, Alles ist auf den Beinen, Sie zu fangen. Nun tritt sogar dieser Fürst des Elendes auf, und ihn scheint der Hauptmann am Meisten zu fürchten. Man wird alle möglichen Mittel anwenden, um hinter unsere Schliche zu kommen. Wer sagt Ihnen denn, daß man nicht auch auf den sehr naheliegenden Gedanken kommt, die nach hier adressirten Briefe zu überwachen und die verdächtigen zu öffnen?«
    »Donnerwetter! Darf das die Polizei?«
    »Sie wird da viel fragen, ob sie es darf! Ein einziger Brief aber kann Alles verrathen. Sehen Sie das nicht ein?«
    »Ah, ich beginne, zu begreifen!«
    »Endlich! Drüben bei mir ist man noch nicht so mißtrauisch. Das weiß der Hauptmann. Darum hat er nur an mich geschrieben, Ihnen aber doch einen Brief mit eingelegt. Hier ist er.«
    Er reichte ihm eines der verschlossenen Schreiben hin. Seidelmann nahm es in Empfang, öffnete und las:
     
    »Herrn Seidelmann
senior
.
     
    Sie empfangen ausnahmsweise Dieses nicht durch die Post, sondern durch Winkler. Die jetzt in Ihrer Gegend für uns so bedrohlichen Verhältnisse veranlassen mich, die Correspondenz mit Ihnen bis auf Weiteres einzustellen. Sie werden meine Weisungen von jetzt ab also nicht mehr schriftlich, sondern durch Eingeweihte mündlich erhalten. Sie haben also einem Jeden Folge zu leisten, welcher sich Ihnen vorstellt und im Besitze des geheimen Zeichens ist.
    Der Hauptmann.«
     
    Die Unterschrift war schief gehalten, so daß die Buchstaben nach links lagen, anstatt, wie bei der gewöhnlichen Currentschrift, nach rechts, und sodann mit einem sehr verwickelten, kunstreichen Zug versehen.
    »Nun,« fragte Winkler lächelnd »bin ich jetzt genugsam legitimirt?«
    »Ja. Es ist die Unterschrift mit dem Zuge, den wir Alle kennen. Hören Sie, was er schreibt.«
    Er las den Brief vor. Als er fertig war, sagte der Fromme:
    »Schau! So ist also der Fremde, welcher heute klingeln ließ, bereits ein solcher Bote des Hauptmannes gewesen.«
    »War Einer hier?« fragte Winkler.
    »Ja. Er sprach von einem Geschäft im Betrage von zwanzigtausend Gulden.«
    »So ist ihm unbedingt Folge zu leisten. Haben Sie mit ihm abgeschlossen?«
    »Nein. Er kommt wieder.«
    »Vielleicht lassen sich die beiden Unternehmen vereinigen. Der Hauptmann wird bereits gehört haben, daß das letzte verunglückt ist. Nun giebt er schnell andere Karten aus, weil die Beamten nicht denken werden, daß wir uns so rasch wieder hervorwagen. Auf diese Weise wird die Schlappe

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