Der Waldläufer
Lanzenbrechen gewesen, in dem keiner der beiden Kämpfer gesiegt hatte oder besiegt wurde.
Die Folge davon war jedoch, daß ein instinktmäßiges Mißtrauen der beiden Reisegefährten gegeneinander Wurzeln gefaßt und jeder eine Ahnung davon hatte, daß der andere sein Todfeind sei. Cuchillo war mehr als je entschlossen, sich seiner, auch ohne seiner Sache gewiß zu sein, zu entledigen; der besser gesinnte Tiburcio erinnerte sich des Eides, den er seiner Adoptivmutter geschworen hatte, verschob aber dessen Erfüllung, bis er eine vollkommene Kenntnis des Falls erlangt haben würde. Wir brauchen nicht hinzuzufügen, daß in diesem letzteren Fall der Rächer Marcos Arellanos' die Erfüllung seines Gelübdes nur in einem Kampf auf Leben und Tod sah, aber mit offenem Visier.
Andere Ideen nahmen auch noch die Gedanken Tiburcios in Anspruch: Jeder Schritt brachte ihn derjenigen näher, in der sich seine zärtlichsten Neigungen vereinigten, und wie es dem Herzen des Mannes eigentümlich ist, das zu hoffen, was er nur halb wünscht, so muß er auch immer unübersteigbare Hindernisse sich gegen ihn und gegen den Besitz der Gegenstände auftürmen sehen, nach denen er am eifrigsten begehrt. Darin liegt das Geheimnis der heroischen Entschlüsse.
Während des Rittes war die Aufregung Tiburcios nach und nach gefallen, und er sah nun Unmöglichkeiten, die seine Träume im Nachtlager an der Poza ihn nicht hatten bemerken lassen. Er faßte also den verzweifelten Entschluß, noch diesen Abend zu erfahren, woran er sich zu halten habe.
Als Tiburcio durch die Gunst des Zufalls Doña Rosarita tief im Wald getroffen hatte, verirrt samt ihrem Vater und den Dienern, die sie begleiteten; als er, überglücklich, sie zwei Tage begleiten zu können, der Schönheit des jungen Mädchens jene Huldigung dargebracht hatte, die bei einem jungen Mann eine rasche und tiefe Liebe ist, hatte er sich mit sehr süßen Träumen eingewiegt bis zu dem Augenblick, in dem er erfuhr, daß sie die Tochter des reichen Don Agustin Peña sei, und die ganze Torheit seiner Hoffnungen einsah, indem er die Entfernung maß, die ihn von ihr trennte.
Wenn er also mit so großem Eifer die Hoffnung festhielt, die die Offenbarung des Geheimnisses, das er besaß, in ihm erregt hatte; wenn die ängstliche Gier nach Reichtum ihn quälte, so geschah dies nicht um des Reichtums willen. Er hatte dabei einen noch edleren Zweck, der seinem mehr poetischen als der Wirklichkeit sich hingebenden Charakter viel angemessener war, nämlich den, sich eine goldene Brücke zu bauen, um bis zur Tochter Don Agustin Peñas zu gelangen. Unglücklicherweise konnte er es sich nicht mehr verhehlen, daß er nicht allein das Dasein und die Lage der geheimnisvollen Goldmine wußte. Mit einem Mal leuchtete ihm ein, daß die Expedition, mit der er sich unfreiwillig vereinigt sah, keinen anderen Zweck haben könne als die Eroberung dieses Schatzes, und der Mann, der das Geheimnis mit ihm teilte, mußte sich unter denen befinden, die unter den Befehlen desjenigen standen, den er hatte Don Estévan nennen hören. Die zweideutigen Fragen Cuchillos, sein Aussehen, dieses Pferd, das wie das des Begleiters und Mörders seines Adoptivvaters strauchelte, hatten plötzlich ein aufhellendes Licht in die Dunkelheit seiner Gedanken geworfen – aber das war nicht genug! Wie sollte er sich vollständige Gewißheit verschaffen?
Eine andere, noch viel schmerzlichere Ungewißheit ließ sein Herz höher schlagen: Welche Aufnahme bereitete ihm Doña Rosarita – ihm, dem armen Landmann ohne Hilfsmittel, ohne Familie, ohne Namen, der sich an einer wechselvollen Expedition beteiligt und sich unter den Schwarm der heimatlosen Abenteurer geworfen hatte, die die Habgier mitten in diese Einöden trieb? Traurige Vorgefühle jeder Art stiegen in seiner Seele auf, als der Zug, an dem er so bescheiden teilnahm, die Palisaden der Hacienda erreichte.
Die Schranken waren offen, um sie zu empfangen, und Don Agustin selbst kam seinen Gästen, die er erwartete, entgegen. Er war noch in kräftigem Alter, und sein sonnverbranntes Gesicht trug ganz die ländliche Ungezwungenheit und jenes entschlossene Aussehen, das einem Mann eigentümlich ist, der mitten in Gefahren lebt. Er hatte eine Weste von ungebleichtem chinesischen Batist angezogen, und sein gesticktes Hemd, das sich über einer breiten Brust faltete, ließ in seiner Durchsichtigkeit auf eine rauhe Haut von fast ebenso gebräunter Farbe als sein Gesicht schließen. Mit der
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