Untitled
In der Ruine eines altehrwürdigen
Wasserschlosses gehen Gespenster und
Vampire um, an denen der Zahn der Zeit
genagt hat – alles ist wie im wirklichen
Leben, nur eben etwas märchenhafter.
Im Zentrum des Buches steht eine
couragierte alte Dame à la Miss Marple,
die die schwierigen Situationen am Ende
mit Hilfe ihrer weiblichen Intuition löst.
Constanze Klee
Champagnerblut
Roman
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Klee, Constanze:
Champagnerblut: Roman / Constanze Klee. – Berlin: 1993
ISBN 3-86124-153-6
Copyright © 1993 by edition q Verlags-GmbH, Berlin
Lektorat: Literatur-Agentur Axel Poldner, München
Umschlaggestaltung: Atelier Höpfner-Thoma, München
Umschlagfoto: Hans Döring, München
Gesamtherstellung: Ebner Ulm
Printed in Germany
Einleitung
Wohlig verschlafen, den wärmenden Sonnenstrahlen zugeneigt, erstreckt sich der kleine Kirchhof über die sanfte Kuppe des Hügels: ein gepflegter Friedhof, der Stolz der Bewohner des nahegelegenen Dörfchens. Weniger, weil dort so viele Angehörige ihre letzte Ruhe fanden, vielmehr wegen des monumentalen Anblicks, den die Grabstätte derer von Grauenstein dem Betrachter bot. Ein altes Adelsgeschlecht! Die Ruine des malerischen Wasserschlosses gegenüber zeugt noch heute davon.
Wie jeder im Dorf weiß, sind kaum 200 Jahre vergangen, daß der Letzte derer von Grauenstein verstarb. Er hinterließ keine Nachkommen. Das alte Wasserschloß aber wurde ein beliebtes Ausflugsziel für zahlungskräftige Touristen. Über das Geld freuen sich die Dorfbewohner; große Umsätze machen seit jeher der sehr dicke Gastwirt und – notabene – der schon etwas schrullige, aber dennoch liebenswerte Herr Doktor.
Wind und Wetter begünstigten über Jahre hinweg den langsamen, aber stetigen Verfall des Monuments. Die Grabplatten waren im Laufe der Zeit so brüchig geworden, daß ein verstauchter oder gar gebrochener Knöchel bei den zahlreichen Ausflüglern keine Seltenheit war. Liebevoll versorgt der Arzt die Gestürzten. Die dazu erforderlichen Gipsverbände wurden meist um einiges größer als unbedingt erforderlich. Das aber brachte dem deshalb nicht weniger ehrenwerten Herrn Doktor so manches Extra ein. Wer will es da dem alten Herrn verdenken, daß er beim Verwitterungsprozeß ein ganz klein wenig nachhalf. So jedenfalls wird gerne gemunkelt ...
Saß der Dorfgeistliche nicht gerade an seiner Predigt oder aber im Hause von Madame Vanille, einer reizenden alten Dame, um sich an dem vielgepriesenen Rumtopf oder der geradezu göttli chen Buttercremetorte gütlich zu tun, so betätigte er sich nur allzu gern als Fremdenführer. Äußerst spannend konnte er die Geschichte derer von Grauenstein darbieten. Den Besuchern lief nicht selten ein wohlig schauriges Kribbeln den Rücken hinab. Wo allerdings die Grenze zwischen Dichtung und Wahrheit verlief, sei hier dahingestellt. Vielmehr dankten ihm die Dorfbewohner für die fantasievollen Ausführungen mit einem verständnisinnigen Lächeln und gedachten des nunmehr noch besser florierenden Fremdenverkehrs. In dem einzigen Gasthaus des verträumt wirkenden Dörfchens war es schon lange kein leichtes mehr, ein Zimmer zu bekommen.
Bekannt war, daß das Geschlecht derer von Grauenstein von hohem Adel war. An Adel der Seele jedoch hat es in vielerlei Hinsicht gefehlt. Nur von dem letzten Grafen, dem Edlen von Grauenstein, erzählt man sich, daß er stets ein offenes Ohr für seine Bauern und deren Nöte hatte. Das wiederum wurde ihm zum Verhängnis. Er überwarf sich mit seiner erlauchten Familie, die ihn auch prompt enterbte und ihm den Grafentitel nahm. Er nannte sich folglich schlicht „von Grauenstein" und ist der einzige, der auf dem Grabstein ohne jeglichen Titel genannt wird.
Die reizende alte Dame, im Dorf geachtet und geehrt, machte, wie dies oft geschah, einen Spaziergang auf den Hügel, um frische Blumen auf das Grab ihres verstorbenen Gatten – Gott hab' ihn selig – zu stellen. Sie hatte einen längeren Aufenthalt eingeplant, denn wieder einmal war das lästige Unkraut zu jäten. Zudem bedurften ihre müden Beine einer Ruhepause. Der Weg, der zu dem kleinen Kirchhof führte, erschien ihr von Mal zu Mal steiler.
Das Grab ihres Gatten lag in unmittelbarer Nachbarschaft des beeindruckenden Monuments derer von Grauenstein. Im Moment, da sie sich zum Jäten hinabbeugte, vernahmen ihre Ohren ein unheimliches, noch nie dagewesenes Gemurmel. Mit steifem Rücken richtete sie sich
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