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Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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her, Sennor Pepe,« meinte er. »Ich habe im Namen des Gesetzes einige Fragen an Euch zu richten. Ihr hattet heut den Ensenadaposten?«
    »Ja.«
    »Wann habt Ihr ihn bezogen?«
    »Um Neun.«
    »Was thatet Ihr, als Ihr an Ort und Stelle kamt?«
    »Ich – hm, ich setzte mich nieder.«
    »Und dann?«
    »Und dann – dann stand ich wieder auf.«
    »Aber dazwischen habt Ihr wohl ein wenig geschlafen?«
    Der Klang des letzteren Wortes äußerte eine simpathische Wirkung auf den Miquelete: er öffnete den Mund und gähnte.
    »Habt Ihr heut nicht auch geschlafen, Don Ramon?«
    »Ja; aber ich befand mich nicht auf Posten. Also Ihr standet wieder auf, und dann –?«
    »Dann ging ich am Ufer hin und schoß den Menschen hier durch den Kopf.«
    »Wie kam das?«
    Pepe erzählte den Vorgang. Der Eskribano kauerte zwischen den beiden Laternen, hatte das Papier auf dem Knie und schrieb den Bericht nieder.
    »Wir werden die Pakete mitnehmen, die Leiche aber liegen lassen,« bestimmte der Alkalde. »Sie bleibt unter Eurem Schutze zurück, Pepe, und ich hoffe, daß sie sicher ist.«
    »So sicher wie im Schooße Abrahams, denn ich hoffe nicht, daß der Kerl noch einmal lebendig wird und auf das Schloß geht, sonst müßte ich ihm noch eine Kugel geben!«
    »Kommt, Don Lukas Despierto! Unser Geschäft ist hier beendet!«
    Die drei Männer entfernten sich, und Pepe streckte sich wieder auf der Erde aus. Er blieb bis zur Ablösung vollständig ungestört und kehrte dann in das Dorf zurück, um nun nicht blos zum Scheine, sondern in aller Wirklichkeit zu schlafen.
    Der Raubmord auf Schloß Elanchovi erregte auch in weiteren Kreisen ein ungeheures Aufsehen. Die Justiz des Landes befand sich nie und zu jener Zeit am allerwenigsten in einer lobenswerthen Verfassung; man that alles Mögliche oder gab wenigstens vor, alles Mögliche zu thun, um die Thäter zu entdecken und das Schicksal des kleinen Fabian zu erforschen, doch vergebens. Die Beiden, welche einige Aufklärung zu ertheilen vermochten, der Hauptmann und Pepe, schwiegen, da sie mit einer rückhaltslosen Mittheilung sich in Gefahr bringen mußten. Aber der ehrliche Miquelete fühlte Gewissensbisse. Er konnte sich nicht über den Gedanken hinwegsetzen, daß er einen Theil der Schuld zu tragen habe, welche die Mörder von Elanchovi mit fortgenommen hatten; der Ring blieb unter dem Stein verborgen; Pepe wollte lieber hungern, als sich von dem Blutgelde sättigen und quälte sich mit allerlei Gedanken, auf welche Art und Weise es möglich sei, die schwere Last von seiner Seele abzuwälzen.
    Es war wohl eine Woche nach jener Nacht in der Ensenada, als er den Tagesdienst am Hafen hatte. Ein englischer Dreimaster hatte draußen auf der hohen See die Fluth abgewartet und lief jetzt mit derselben in dem Hafen ein. Er schien blos Wasser einnehmen zu wollen und hatte nur einen einzigen Passagier, welcher sich sofort, als der Anker gefallen war, an das Land rudern ließ.
    Pepe stand neben dem Haushofmeister Juan de Dios, welchen irgend ein häusliches Geschäft aus dem Dorfe herabgetrieben hatte, und folgte ganz unwillkürlich mit den Augen dem Boote, in welchem der Landende saß. Da stieß der Haushofmeister einen Ruf der Ueberraschung aus.
    »Was ist’s, Don Juan de Dios?«
    »Seht Ihr den Mann im Boote?«
    »Ja.«
    »Wißt Ihr, wer es ist?«
    »Nein. Er hat das Gesicht in den Zipfel seines Manga gelegt, um es gegen die Sonne zu schützen.«
    »Und dennoch kenne ich ihn! Oh, das ist ein Mirakel, ein heiliges Wunder. Die Todten stehen auf und werden wieder lebendig.«
    »Santa Lauretta, Ihr macht mir beinahe bange! Ist dieser Mann todt gewesen?«
    »Habt Ihr noch nie gehört, daß Graf Antonio de Mediana todt sei?«
    »Todt oder verschollen! Was hat dieser Sennor mit dem Grafen Antonio zu thun?«
    »Was er mit ihm zu thun hat? Per dios, viel, sehr viel, denn er ist es ja selbst! Ich kenne ihn und werde ihn sofort begrüßen!«
    Der alte Beamte stürzte der Stelle zu, an welcher der Passagier soeben sich im Boote erhoben hatte und an das Land gesprungen war wie Einer, welcher dergleichen Sprünge gewohnt ist. Sein Gesicht war jetzt unverhüllt und deutlich zu erkennen, und, ja, da stieß auch Pepe einen halblauten Ruf aus, welcher mehr nach Entsetzen als nach Ueberraschung klang.
    »Heilige Mutter von Segovia, das ist kein Anderer, als der Kapitano, von welchem ich den Ring erhalten habe! Und, wahrhaftig, es muß der Graf sein, denn er bietet Dios die Hand und begrüßt ihn wie der Herr den

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