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Der Weg in die Verbannung

Der Weg in die Verbannung

Titel: Der Weg in die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Zunächst tastete er den Rand des Höhlenarmes ab, der rechter Hand aufwärtsführte und aus dem das Wasser herunterschoß. Das Ergebnis seiner Untersuchung war wenig ermutigend. Die Quelle führte im Frühling noch mehr Wasser als zur Sommerzeit und hatte die Ränder ihres Felsenkanals in Jahrhunderten und Jahrtausenden vollständig glatt ausgewaschen. Keine Hand, kein Fuß konnte daran Halt finden. Der Mann ließ zunächst ab von jedem Versuch, an dieser Stelle aufwärts zu klettern. Er überschritt im Hauptgang der Höhle den Bach, der hier nur seicht floß, und tastete dann vom anderen Ufer aus wieder an der Felswand hoch, die zu dem aufsteigenden Höhlenarm führte. Auch auf dieser Seite war der Fels glattgescheuert, in Mannshöhe ohne jede Einbuchtung, ohne jeden Halt.
    »Donner, Fluch, Dreck! Misthöhle!« Der Mann schrie nicht, er zischte nur und schlug mit der Faust gegen den glatten Fels. Im Vergleich zu seinem Temperament und seinen sonstigen Jähzornausbrüchen war diese Zornäußerung nur gering und durchaus mild. Er bemerkte sie selbst kaum, es war eine Art Reflexbewegung gewesen. Er setzte sich wieder hin und dachte nach.
    War dies die richtige Stelle? Der zahnlose Ben hatte da hinaufklettern wollen, das stand fest. Warum, das hatte der schwarzhaarige Esel trotz seiner Angst vor Red Jim allerdings nie recht gestanden. Was er Jim gesagt hatte, waren nur Ausflüchte gewesen. Aber die Tatsache, daß der zahnlose Esel eine so schwierige und scheinbar aussichtslose Kletterei versucht hatte, deutete darauf hin, daß er irgendwelche sicheren oder wenigstens einleuchtenden Nachrichten über Goldvorkommen oben in den Seitenarmen der Höhle, bei der Quelle oder über der Quelle besitzen mußte. The Red hielt diesen Anhaltspunkt in Gedanken fest und verglich damit die Worte, die er von einem halb betrunkenen Indianer gehört hatte. Wenn diese Worte überhaupt einen Sinn hatten und sich zusammenfügten, so paßten sie eben auf diese Stelle in der Höhle. Vielleicht allerdings legte The Red die Worte und Satzfetzen, die er dem angetrunkenen Häuptling entlockt hatte, nur darum als Beschreibung dieser Höhlenstelle aus, weil er durch den zahnlosen Ben schon etwas davon erfahren hatte. Vielleicht gab es viele andere Stellen in dem verfluchten höhlenreichen Berge, die dieser ähnlich sahen, und The Red war seinem Glück nicht nah, sondern fern und wurde wie ein Tanzbär an der Nasenkette von falschen Kombinationen im Kreise geführt. Alles in allem genommen, das erste und Notwendige für ihn war, diesen schwierig zugänglichen Höhlenarm zu untersuchen, aus dem das Wasser herunterschoß.
    Er stand wieder auf, zog den Tomahawk und suchte, seine Reichweite mit diesem Werkzeug erweiternd, noch einmal die glattgewaschenen Wände von beiden Seiten des Wassers her ab. Aber er fand nicht die geringste Einbuchtung, auch keinen Felsvorsprung als Anhalt. So ging es also nicht.
    Ging es überhaupt? Konnte ein Mensch da hinaufgelangen? Er hatte keine Lust, bei einem tollkühnen Versuch von dem Wasser mit hinabgerissen zu werden, wie es Ben im Frühjahr geschehen war. Noch einmal überlegte The Red alle Worte, die er von dem angetrunkenen Indianerhäuptling gehört hatte. Er wußte jedes einzelne auswendig, jedes halbe Wort, jede Silbe hatte er gehört und behalten. Aber der Indianer hatte in der Dakotasprache gesprochen, und der Wortschatz, den The Red in dieser Sprache beherrschte, war nicht groß und bezog sich nur auf die lebenswichtigen Vorgänge in der Wildnis und zwischen den dort lebenden Menschen. Auf genaue Beschreibungen war er mit seinen Sprachkenntnissen nicht eingestellt, und wahrscheinlich war auch für den Sprachkundigsten die Beschreibung nicht eben genau gewesen. Vielleicht hatte der schlaue Indianer ihn sogar mit Absicht genarrt und sich betrunkener gestellt, als er war. Wer kannte sich in einer Rothaut aus? Vielleicht hatte dieser schmutzige Dakota nur aus The Red herausbringen wollen, wo dieser das Gold zu suchen gedachte. Vielleicht schlich er mit seiner Kojotenbande schon hinter ihm her! Verdammt! Es konnte sein, daß ihm, dem Roten Jim, nicht soviel Zeit für ungestörtes Nachforschen blieb, wie er geglaubt hatte. Himmel, Hölle und Teufel! Das gleichmäßige Rauschen des Wassers, das Donnern des Wasserfalls in der echowerfenden Höhle konnten den ruhigsten Menschen in kurzer Zeit unruhig machen.
    Vielleicht mußte man den Fels anspringen, hinaufspringen bis zu der Stelle, an der sich der ansteigende

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